Das Museum und der Künstlergarten von Emil Nolde in Nordfriesland
Nolde-Stiftung Seebüll. Im Garten leuchtet der Mohn in sattem Rot. Schwertlilien, Rittersporn, Sonnenbraut und Lupinen, die alle von der museumseigenen, mit dem Bioland-Siegel ausgezeichneten Gärtnerei gezogen und gepflanzt wurden, bilden eine Farbsinfonie voll sinnlicher Kraft. Der Maler Emil Nolde, der sich 1927 mit seiner Frau Ada hier in der Weite der nordfriesischen Landschaft niederließ, war ein begeisterter Gärtner. "Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an", notierte der Künstler, der sich sofort daranmachte, sein neu erworbenes Grundstück in ein Blütenparadies zu verwandeln.
Dass die Nolde-Stiftung Seebüll, die 2007 ein modernes Eingangsgebäude mit Restaurant und Museumsshop erhalten hat, jährlich in den Sommermonaten Zigtausende kunstinteressierte Besucher anlockt, ist neben der ungebrochenen Popularität des Malers gewiss auch der glücklichen Kombination von Museum und Künstlergarten geschuldet, die die für Noldes Leben so charakteristische Nähe von Natur und Kunst, Garten und Atelier ganz unmittelbar nacherlebbar werden lässt.
Im Obergeschoss des modernen Eingangsgebäudes, dessen schlichte und transparente Architektur sich unaufdringlich der Landschaft unterordnet, informiert eine einführende Ausstellung über den Lebensweg des Malers und sein künstlerisches Werk.
Wer anschließend sein Ticket gelöst hat, gelangt zunächst in den Garten, hinter dem sich auf einer Warft das von Nolde selbst entworfene Wohn- und Atelierhaus erhebt, ein Backsteingebäude, dessen expressionistische und am Bauhaus orientierte Architektur einen eigenen und durchaus auch eigenwilligen Akzent setzt, ohne die Umgebung zu beherrschen.
An Sommertagen kann es in Noldes Garten schon einmal eng werden, die Besucher fotografieren den türkischen Mohn, oft darum bemüht, ein Motiv zu schaffen, das an die Bilder des geschätzten Malers erinnert. Im Gartenhaus, in dem Ada Nolde nach den Notizen ihres Mannes dessen Autobiografie abtippte, findet man Schatten und durch den gerahmten Türausschnitt eine Gartenperspektive, die selbst wie ein Bild anmutet. Links ein A und rechts ein damit verbundenes E - so hat Nolde den Gartenplan gezeichnet, und die Initialen der Vornamen Ada und Emil damit zur Grundlage der Gestaltung gemacht.
Die relativ steile Treppe im Atelierhaus, dessen originale Einrichtung noch weitgehend erhalten geblieben ist, führt hinauf in die Räume, die Noldes Werk jährlich in einem anderen thematischen Zusammenhang präsentieren. "Cigarettenraucherin und Madonna" heißt das Thema der diesjährigen Jahresausstellung, in der es einmal mehr um die Frauenbilder des expressionistischen Künstlers geht. Nolde hat sich in allen Schaffensphasen mit der Weiblichkeit beschäftigt, hat Frauen als Verführerinnen und als Verführte dargestellt, als Madonnen und als Huren, als begehrenswerte Nackte und fürsorgliche Mütter. Das Weibliche faszinierte und irritierte ihn zugleich. Ein Frauenversteher war Emil Nolde nicht, ganz im Gegenteil. "Unverständlich ist mir vieles - ich brauche es nicht zu wissen", notierte er.
Die Ausstellung, in der vertraute Motive mit weniger bekannten Bildern vereint sind, zeigt auch Gemälde, für die die beiden wichtigsten Frauen in Noldes Leben Vorbild gewesen sind: Ada und Jolanthe. 1902 hatte der Maler die dänische Schauspielerin Ada Vilstrup geheiratet und den größten Teil seines Lebens gemeinsam mit ihr verbracht.
Zwei Jahre nach der Hochzeit porträtierte er sie auf dem beinahe noch impressionistisch anmutenden Gemälde "Frühling im Zimmer". In einem Raum mit gelben Vorhängen ist eine anmutige junge Frau zu sehen, die mit leicht nach vorn geneigtem Kopf in ein Buch vertieft zu sein scheint. Das Bild entstand in dem Fischerhaus, in das sich die Noldes bei ihrem Aufenthalt auf der heute zu Dänemark gehörenden Ostseeinsel Alsen eingemietet hatten. "Im zweiten Teil meines Lebens stand neben mir meine geliebte und schöne Gefährtin, meine Ada. Sie war licht und lieb und fürsorglich und klug", schrieb Nolde über seine Frau, die häufig erkrankte, ihn aber dennoch jahrzehntelang selbstlos unterstützte, bis sie 1946 starb. Zwei Jahre später heiratete der Maler die damals 26-jährige Jolanthe Erdmann, die auf dem Gemälde "Frau mit rotem Turban" zu sehen ist. In einem Kabinett gibt es zudem eine kleine Sonderschau unter dem Titel "Morgensonnenland" mit Tuschzeichnungen, die im Herbst 1913 während eines dreiwöchigen Japan-Aufenthalts entstanden. Es sind Porträts, Figurenstudien und Szenen, die Nolde im Tokioter No-Theater gesehen hat. Wie spontan diese schnell gezeichneten, aber ungemein ausdrucksvollen Arbeiten sind, zeigt das Porträt der Geisha Kiyoka, das Nolde in einem japanischen Restaurant in Korea gezeichnet hat.
Nolde, der von der traditionell gekleideten, mit kunstvoll hochgesteckter Perücke und dem geschminkten Mund fasziniert war, ließ sich ihren Namen mit japanischen Schriftzeichen von ihr auf die Zeichnung schreiben. Kiyoka heißt "sauberer Duft", wie sehr viel später ein japanischer Besucher der Nolde-Stiftung die Schriftzeichen übersetzte - ein Name, der auch gut zu Noldes von Blütenduft durchströmten Garten passt
Emil Noldes Frauenbilder "Cigarettenraucherin und Madonna" , Nolde-Stiftung Seebüll (nördlich von Niebüll), bis September täglich 10.00-20.00, Eintritt Erw. 8,-/erm. 3,-; www.nolde-stiftung.de