Das Landesmuseum Hannover widmet sich in einer Ausstellung der Entwicklung der Landschaftsmalerei
Hannover. Die Natur liefert Motive, älter als die Kunst, ja älter als die Menschen selbst: Landschaften mit dichtem Baumgrün sind voller Geheimnisse, knorrige Wurzeln, ewiger Himmel über ewiger Erde. Die Wellen des Meeres. Die Ausstellung "Nah und Fern - Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth" zeigt die Entwicklung der Landschaftsmalerei vom Barock bis zum Impressionismus anhand von 150 sorgfältig ausgewählten Gemälden.
Vertretene Künstler sind neben der zeitlichen Klammer aus Pieter Brueghel dem Älteren (1525/30-1569) und Lovis Corinth (1858-1925) zum Beispiel Lucas Cranach, Jacob van Ruisdael, Caspar David Friedrich, Auguste Renoir, Wilhelm Busch, Otto Modersohn, Max Liebermann und als neuerer Ausblick auch Gerhard Richter mit seiner unscharfen "Abendlandschaft (mit Figur)".
Die Bedeutung, die die Landschaftsmalerei im Laufe ihrer Geschichte erreicht hat, formuliert der Romantiker Philipp Otto Runge in seiner ganz eigenen Art: "Es drängt sich alles zur Landschaft", schrieb er 1802.
So auch in einem zentralen Werkzyklus der Ausstellung: Caspar David Friedrichs vierteiliger Tageszeitenzyklus (1821/22) ist Ausdruck einer "Weltseele". Seine Landschaften entstehen nach einer anthropomorphen Naturauffassung, in der die dargestellte Naturstimmung auch den Wesenszustand der Person repräsentiert, die unauffällig in der Landschaftskomposition zu sehen ist. So wie der Fischer in seinem Ruderboot, der zusammen mit dem Tag aus dem Nebel des Schlafes erwacht. Der Mensch ist Teil der Natur.
Zur eigenständigen Kunstgattung wurde die Landschaftsmalerei im 16. Jahrhundert, vor allem in Flandern und Italien in der Kartografie, und zwar dort als symbolisch aufgeladene Hintergrundlandschaft der religiösen Malerei und in der Druckgrafik des 16. Jahrhunderts. Aber auch im Tagebuch. So sieht man in "Nah und Fern" Naturskizzen des 23-jährigen Hans Cranach von 1536, und man stellt sich vor, wie er - mit dem kleinen Heft auf den Knien - selbst Teil der Natur war und sie zugleich beobachtete.
Bereits um 1600 war die Landschaftsmalerei eine besonders begehrte Gattung auf dem Antwerpener Kunstmarkt und es entstanden Malerdynastien wie die Brueghels. Das Gemälde "Bewaldete Landschaft" von Jan Brueghel dem Älteren zeigt eine abschüssige Waldlandschaft, die langsam in ein kleines Dorf übergeht. Man sieht Menschen am Waldrand auf Pferden, die vielleicht mit den Hunden zur Jagd ausreiten und Wagen, die das Dorf über den Waldweg verlassen und dort ankommen, als sei der Wald ein Übergang von der einen Welt in die andere.
Brueghels Gemälde von 1603 ist dabei schon dem perspektivisch motivierten Farbschema zur Tiefenstaffelung der Bildgründe unterworfen: Der Vordergrund ist braun gehalten, der Mittelgrund grün und der Hintergrund breitet sich in uferlosem Blau aus. Im Goldenen Zeitalter ("Gouden Eeuw") der niederländischen Malerei im 17. Jahrhundert erfreuten sich vor allem Winter- und Mondscheinlandschaften besonderer Beliebtheit. Zugleich gelangte dort auch die Seemalerei, die das Meer mal als Handelsort und mal als ungestüme Naturgewalt darstellt, zur vollen Blüte.
Dabei zog es viele Maler nach Italien, wo sie dieses unvergleichlich warme Licht fanden, das den Wald zur goldlichtdurchfluteten Stimmungslandschaft im Sinne der antiken Dichtung zum locus amoenus, zum lieblichen, idealen Ort, macht.
Die norddeutsche Künstlerkolonie Worpswede (1895) wiederum konnte auch der heimischen Natur das Spektakuläre abgewinnen. Die Künstler beschäftigten sich vor allem mit der Moorlandschaft als Bildthema; sie brachten Wolkenformationen auf die Leinwand, Lichtkontraste und die Farbspiele von Wasser, Torf und Moorkate, von Schilf, Gras und Wasser, sie malten den Himmel und die dünnweiße Birkenrinde. Dabei ermunterte die Natur manchen Künstler zur Abkehr vom vertrauten Kunstbetrieb. Der Worpswede-Künstler Otto Modersohn formulierte: "Wie wäre es, wenn wir überhaupt hier blieben? Fort mit den Akademien. Die Natur ist unsere Lehrerin, und danach müssen wir handeln."
Nah und Fern - Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth bis 21.8., Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Willy-Brandt-Allee 5, 30169 Hannover, Di-So 10.00-17.00, Do 10.00-19.00; www.landesmuseum-hannover.de