Endlich Applaus für den Regisseur: Stefan Herheims brisant-politische Inszenierung von “Parsifal“ würdigte das Publikum mit großem Beifall.

Bayreuth. Es scheint zum guten Ton zu gehören bei den Bayreuther Festspielen, die Inszenierungen der Opern eher nicht zu mögen. Dafür erhalten die Sänger Beifallsstürme. Dass aber sowohl Sänger als auch Inszenierung rasenden Jubel ernten, dürfte es seit einer ganzen Weile nicht mehr gegeben haben. Und doch ist das Kunststück gelungen – mit einer Wiederaufnahme: Die Premiere von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ am Donnerstag war ein Volltreffer – mit stimmiger und einfallsreicher Regie von Stefan Herheim, subtil und poetisch dirigiert von Daniele Gatti und mit guten Sängerleistungen. So wurde das Erlösungsdrama gewissermaßen tatsächlich zur Erlösung. Für das Publikum.

Denn wenn das heutige Bayreuth für die Not steht, die schweren Wagner-Partien angemessen zu besetzen, dann wurde daraus im Falle des „Parsifal“ eine große Tugend: In der Rolle der Kundry, der „aufregendsten aller Wagnerschen Frauenfiguren“, wie Joachim Kaiser einmal schrieb, ging Susan Maclean voll auf. Der innerlich zerrissene Charakter trieb sie zu einer phänomenalen Leistung, sowohl die wütenden Ausbrüche als auch die verführerischen Töne bewältigte die Mezzosopranistin sicher – und gut gesungen. Einige Schärfen in der manchmal forcierten Höhe trübten das Bild nicht.

Gefeiert wurde aber auch der Bayreuth-Routinier Kwangchul Youn für seinen glänzend gesungenen Gurnemanz. Vokal war der Bass der überragende Sänger des Abends, der die endlosen deklamatorischen Teile seiner Partie sicher und klangvoll bewältigte. Passagen wie diese gehören zu den Hauptschwierigkeiten der großer Wagner-Partien wie Wotan, Sachs – oder eben Gurnemanz. Gleichzeitig müssen sich die Sänger noch über das Orchester hinwegsetzen.

Simon O'Neill gab einen strahlenden Parsifal mit schallender, fester und schlanker Tenorstimme – wenn auch der Klang gelegentlich etwas grell ausfiel. Dafür überzeugte er trotz vergleichsweise kleiner Stimme bei den großen Ausbrüchen der Rolle („Amfortas, die Wunde“). Detlef Roth sang einen eindrucksvollen leidenden Amfortas.

Dank der Sängerleistungen, aber auch der durchdachten Regie wurde der diesjährige „Parsifal“ eine wirklich spannende und mitreißende Aufführung. Denn Regisseur Herheim gelang eine beklemmend aktuelle Interpretation der Wagnerschen Religionsoper – das Erlösungsdrama als stark politisierendes Friedensdrama. Er setzt dem Gralsdrama eine Zeitreise durch die deutsche Geschichte entgegen: Filmschnipsel aus den Schlachten des Ersten Weltkrieges, verwundete Soldaten, Hakenkreuzfahnen und Aufmärsche der SS-Schergen, Trümmerfrauen.

In den Ruinen der Nachkriegszeit treffen sich die Reste der zerfallenen Gralsgesellschaft. Erlösung bringt schließlich die friedliche deutsche Nachkriegsdemokratie.

Geschickter Regieeinfall: Im dritten Aufzug bezieht Herheim für einen Moment das Publikum ein, das sich in einem riesigen Spiegel und den Umrissen einer Weltkugel sieht: Der Frieden als Thema, das alle angeht. So wird die traditionelle Gralstaube am Schluss zur Friedenstaube.

Die Inszenierung von 2008 war dem Publikum von Anfang an sympathisch. Sie ist außerdem vielschichtig. Über das fast religiöse Werk schrieb Wagner einst, er wolle mit der Kunst den Kern der Religion retten. Dass der Komponist sich mit seiner in Noten gesetzten Opern-Religion stark identifizierte, verdeutlicht Herheim, indem er Wagners Villa Wahnfried zum Teil der Kulisse macht. Jetzt dürfte Herheims Inszenierung endgültig angenommen sein. Der Lohn: viel Beifall – und kein einziger Buhruf.

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