Festspiele wurden mit lautstark umstrittenen “Tannhäuser“ eröffnet. NDR-Chefdirigent Thomas Hengelbrock gelang ein beeindruckendes Debüt.
Bayreuth. „Kunst wird Tat“, war auf einer Video-Leinwand während des Sängerwettstreits auf der Wartburg zu lesen. Diesen viel versprechenden Worten wollte Regisseur Sebastian Baumgarten bei seiner Sicht auf Wagners „Tannhäuser“ wohl auch reichlich Taten folgen lassen. Die Premiere, mit der am Montag die 100. Bayreuther Festspiele eröffnet wurden, bot jedoch vor allem sehr viel dramaturgischen Aktionismus – und erntete dafür wütende Buh-Rufe.
Venusberg und Wartburg montierte die Regie in das Einheitsbühnenbild einer riesigen Biogas-Anlage, die wohl den Kreislauf von Werden und Vergehen, Rausch und Ernüchterung symbolisieren sollte. Handverlesene Zuschauergrüppchen saßen in der Dekoration, während der zwei Pausen wurde die Bühne mit Filmeinblendungen oder eine Messe für die Rom-Pilger beschäftigt. Der Aufenthalt im Venusberg war für den Minnesänger nicht ohne Folgen geblieben, denn Venus war schwanger und gebar am Ende einen Mini-Tannhäuser.
Das Stammpublikum nahm dem Bayreuth-Neuling Baumgarten diese und andere Regie-Freiheiten ziemlich übel, wurde aber von Thomas Hengelbrock aus dem Graben für vieles entschädigt. Der neue NDR-Chefdirigent, auch er zum ersten Mal auf dem Grünen Hügel, formte einen wunderbar plastischen, dramatisch durchgeformten Orchesterklang, schlank und kraftvoll, mit kluger Dynamik, die von Hengelbrocks Alte-Musik-Stammbaum profitierte. Die Sänger fühlten sich unter seiner Leitung hörbar wohl, einige leisteten so Beachtliches, Camilla Nylund beispielsweise als Elisabeth. Lars Clevemans Tannhäuser hatte starke und schwächelnde Momente. Michael Nagy als Wolfram von Eschenbach war eine wahre Freude.
Die Rechnung der Festspielleitung, mit Baumgarten eine domestizierte Variante des Schlingensiefschen „Parsifal“-Zaubers wiederholen zu können, sie ging nicht auf. Dafür aber sind die Bayreuther Festspiele, die am Premierentag ihre Flitterwochen mit Frank Castorf für die „Ring“-Regie im Wagner-Jubiläumsjahr 2013 verkündeten, mit Thomas Hengelbrock um eine neue, interessant andere Klangfarbe reicher. Zumindest das lässt für die Zukunft hoffen.