Ballett-Tage gestartet: “Purgatorio“ erzählt die Dreiecksgeschichte zwischen Gustav Mahler, seiner Frau Alma und Walter Gropius.

Hamburg. Mit „Purgatorio“, seinem 13. Ballett zu Musik von Gustav Mahler, hat John Neumeier einen neuen Gipfel seiner unverwechselbaren Bühnenkunst erreicht. Das Stück wurde am Sonntag zum Auftakt der 37. Hamburger Ballett-Tage uraufgeführt und nahezu einhellig bejubelt, vereinzelte Buhrufe verstummten rasch.

Die existenzielle Dreiecksgeschichte zwischen Gustav Mahler, seiner Frau Alma und Walter Gropius, in den Alma sich verliebt, lädt der Choreograf und Leiter des Hamburg Balletts mit der Urwunde dieser Ehe auf: vor der Hochzeit machte Mahler seiner „Almschi“ das Aufgeben ihres eigenen Komponierens zur Bedingung. Großformatiges Notenpapier gehört denn auch zu den wenigen ausführlich genutzten Requisiten der Aufführung.

Neumeier gelingt eine fragile Balance aus Handlungsballett und absolutem Tanz; in immer neuen Konfigurationen und Verwandlungen, passagenweise mit einem vervielfachtem Mahler, vollzieht sich das Schicksal dieser Ehe zu Liedern Alma Mahlers, eindrücklich gesungen von Charlotte Margiono, und Gustav Mahlers Zehnter Sinfonie. Die Philharmoniker unter Simone Young spielten die von Deryck Cooke eingerichtete Konzertfassung des Fragments sehr konzentriert.

Mit Lloyd Riggins als tief verstörtem, durchs Ende seiner Ehe wie seines Lebens strauchelnden Gustav Mahler, der grandios schwerelos tanzenden Hélène Bouchet als Alma und Thiago Bordin als stellenweise etwas eindimensional virilem Walter Gropius wirkt ein ausdrucksstarkes Tänzertrio. Als Creator spiritus gab der ungemein präsente, ephebenhafte Anmut mit Reife aufs glücklichste verbindende Alexandre Riabko eine Traumvorstellung seiner Kunst.

Auch wenn sich das Bühnengeschehen von „Purgatorio“ zumindest beim ersten Sehen nicht vollständig enträtselt: Neumeiers Mahler-Deutung ist ein großer Wurf. Das Werk feiert nicht nur die Schönheit des Balletts, es verströmt Magie. „Purgatorio“ zeigt John Neumeier, den großen Alchimisten zwischen klassischem Ballett und dem Formenvokabular des modernen Tanzes, als ungebrochen einfallsreichen Schöpfer bedeutender Bewegungskunst. Gut möglich, dass ihm hier sein Opus summum gelang.

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