Im Hamburger Kunsthaus verweigerte sich die chinesische Generalkonsulin kritischen Fragen
Hamburg. "Was passiert jetzt in China? Nichts passiert. Chinesische Künstler genießen die große Freiheit." Mit dieser entlarvend verwirrten Antwort reagierte Chen Hongmei, Generalkonsulin Chinas in Hamburg, gestern Abend im Kunsthaus auf einen empörten Zwischenrufer. Er wollte von Hongmei ein Statement zu Ai Weiwei und dessen Verschwinden. Die Eröffnung der Ausstellung "Der Lotusweiher" verlor in diesem Moment ihre angestrebte Harmonie, die Chinesen ja traditionell mit dieser Blume verbinden und nur ungern stören lassen.
Die zwei Dutzend Werke und Installationen des Tuschemalers Dong Xiaoming sind von nun an in einem Ausstellungsraum zu sehen, der von Anfang an ein besonderer war: Im Herbst 2006 wurden hier - damals im Rahmen der Hamburger Veranstaltungsreihe "China Time" - Fotoarbeiten von Ai Weiwei gezeigt. Zu sehen waren Bilder, die das Verschwinden historischer Stadtviertel in Peking im Vorfeld der Olympischen Spiele dokumentierten.
Dass mittlerweile auch Weiwei auf Weisung von oben verschwunden ist, verleiht der seit Langem geplanten Kunsthaus-Ausstellung eine akute politische Brisanz, die in den Begrüßungsreden umso deutlicher zu hören war, desto weniger sie konkret angesprochen wurde. Hongmei hielt sich zunächst an offizielle Floskeln, sprach staatstragend von der Freude über den kulturellen Austausch und betonte die Entwicklung bilateraler Beziehungen. Dann zumindest durfte man Doppeldeutigkeiten vermuten, als sie meinte, dass der Künstler die Sehnsucht der Menschheit nach einer harmonischen und friedlichen Welt ausdrücken wolle.
Harald N. Clapham von der Chinesisch-Deutschen Gesellschaft setzte den Eiertanz anfangs fort, indem er sich ausgiebig über Xiaomings Heimatstadt Shenzen ausließ und die große offizielle Kulturdelegation, darunter auch Museumsdirektoren, willkommen hieß. Danach wurde auch er konkreter: "Sie können sicher sein, dass wir mit unseren chinesischen Freunden auch über Dinge reden, die uns bewegen. Natürlich bedrückt es uns, wenn wir Rückschläge erleben." Er plädierte für den Wandel durch schrittweise, diplomatische Annäherung und wechselte die Blickrichtung sogar gen Nordafrika. Im Falle Chinas sei es viel schwieriger, Einfluss zu nehmen, da das Land eine so alte Tradition habe und auch noch so weit entfernt sei. Zum Abschluss wurde Clapham dann vielsagend blumig, er verlas ein Zitat des ehemaligen chinesischen Staatschefs Deng Xiaoping über Shenzen, die Heimatstadt Xiaomings: "Man sollte den Westwind hereinlassen, er bringt Reichtum und Ruhm."
Claus Mewes vom Kunsthaus behielt diesen Tonfall über weite Strecken bei. Er dozierte zunächst über die Vita seines Gastkünstlers, bevor auch er wenigstens zu einer Art von Punkt kam: Es sei "bestürzend, dass es im Moment so große Schwierigkeiten mit Ai Weiwei gibt. Ich bedauere das sehr."
Nach so viel angewandter Dialektik hielt es einen der Ermöglicher dieser Schau nicht mehr auf dem Ehrengast-Stuhl. Shan Fan, Leiter der Hamburger Brand Academy und Koordinator des Hamburger Pavillons für die Expo 2010 in Shanghai, hechtete förmlich ans Mikrofon, um seine Sicht der Dinge ohne Wenn, Aber oder sonstige Fassaden-Formulierungen kundzutun: "Mich nervt der ganze Scheiß mit Ai Weiwei, hier und in China." Er habe sich erkundigt, danach scheine der Verschwundene in der Tat in großem Maß Steuern hinterzogen zu haben. Sein persönliches Fazit: "Wer politisch so engagiert ist als Künstler, der muss auch seinen Arsch sauber halten."
"Dong Xiaoming - Der Lotusweiher" bis 8. Mai, Di-So 11-18 Uhr, Kunsthaus, Klosterwall 15