Der Regisseur Tuschi stellt am 14. Februar seine Doku über Michail Chodorkowski vor. Kurz vor der Weltpremiere wird bei ihm eingebrochen.

Die Geschichte klingt wie aus einem Thriller: Der deutsche Regisseur Cyril Tuschi will auf der am Donnerstag beginnenden Berlinale seinen Film „Khodorkovsky“ vorstellen – eine Dokumentation über den in Ungnade gefallenen russischen Oligarchen Michail Chodorkowski, der inzwischen der bekannteste Häftling des Landes ist. Doch gut eine Woche vor der Weltpremiere am kommenden Montag wurde in seine Produktionsräume eingebrochen. Ausgerechnet die vorläufige Endfassung des Russland-kritischen Films verschwindet. Die Berlinale-Vorstellungen sind zwar nicht gefährdet, weil dem Festival bereits eine Version vorlag. Der Filmemacher bekommt es aber dennoch mit der Angst zu tun.

Obwohl die Polizei von einem „klassischen Einbruch“ spricht, sind die Spekulationen über einen politischen Hintergrund der Tat nicht so leicht von der Hand zu weisen. Zu gezielt scheint der Diebstahl in der Nacht zum vergangenen Freitag vonstatten gegangen zu sein: Zwei Laptops und zwei PCs wurden aus den Produktionsräumen Tuschis in Berlin-Mitte gestohlen, darauf Arbeitsmaterialien und die Endfassung des Films. Andere Wertsachen werden zurückgelassen, das Büro wird verwüstet. Nur wenige Wochen zuvor wurde Tuschi schon einmal eine Festplatte mit Teilen der Dokumentation aus einem Hotelzimmer gestohlen, als er auf Bali letzte Hand an das Stück anlegen will.

Alles Zufall? „Sicher weiß ich das nicht. Aber es wäre schon ein sehr großer Zufall, dass ausgerechnet in der Endphase der Filmarbeiten Material gestohlen wird“, sagt Tuschi der „Frankfurter Rundschau“. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert den 42-Jährigen mit den Worten: „Man will mir Angst einjagen, und ich muss sagen, das ist ihnen gelungen.“

Mittlerweile schirmt sich der Regisseur von der Öffentlichkeit ab. Er ist Berichten zufolge zu Freunden gezogen. In den nächsten Tagen werde er zudem „nur noch in Begleitung auf die Straße gehen“. Die zahlreichen Interview-Anfragen von Journalisten wimmelt die Sprecherin der deutschen Verleihfirma ab. Tuschi habe vorerst „die Reißleine gezogen“. Am Wochenende hätten Journalisten die Produktionsräume belagert. Das habe ihm „zugesetzt“. Vor der Premiere am Montag will er nun vorläufig nicht mehr für Interviews zur Verfügung stehen. Und auch zu den möglichen Hintergründen des Einbruchs wolle er sich nicht weiter äußern.

Der Rummel um seinen Film wäre dem Regisseur auch abgesehen von dem Einbruch sicher gewesen. Denn das Schicksal des unbeugsamen Kreml-Kritikers Chodorkowski, der wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen bis 2017 in Russland eine Haftstrafe absitzen muss, sorgt international für Aufsehen. Der Ministerpräsident und ehemalige Staatspräsident Wladimir Putin gilt als treibende Kraft hinter dem Prozess. Tuschi, dessen Urgroßvater aus St. Petersburg stammt, fasziniert der Fall seit Jahren.

In seiner Dokumentation lässt er Politiker zu Wort kommen, frühere Weggefährten Chodorkowskis, dessen Familie – und Chodorkowski selbst. Das Interview hatte er „glücklichen Umständen“ zu verdanken, wie er in einem Gespräch vor dem Einbruch sagte. Er sei am Anfang des zweiten Prozesses im Gerichtssaal gewesen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe „auf Druck der Rechtsanwälte“ mit dem Angeklagten sprechen dürfen. „Da habe ich gefragt: 'Warum die und wir nicht?'“. Einen Tag später nach einem schriftlichen Antrag durfte er das Interview führen, zehn Minuten lang. Den Countdown zählte ein Wachmann, der ihm im Minutentakt mit der Maschinenpistole auf die Schulter klopfte.

Im Fall Chodorkowksi sieht Tuschi ein „Shakespeare-Drama“, an dem ihn die „Logik der Fallhöhe, dass jemand ganz oben ist und dann nach ganz unten kracht“ gereizt habe. Das Berlinale-Publikum kann die Dokumentation an vier Festivaltagen sehen. (afp/dapd)