Trotz Finanzkrise ist die Schauspielszene inhaltlich quicklebendig. Experten haben die Spitzenreiter der Saison gekürt, darunter Sandra Hüller

Berlin/Köln. Das Schauspiel Köln ist „Theater des Jahres“. Eine Jury von 42 Theaterkritikern wählte die von Karin Beier (44) geleitete Bühne mit klarer Mehrheit auf den ersten Platz, wie das Magazin „Theater heute“ der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag in Berlin mitteilte. Karin Beier konnte mit der von ihr in Szene gesetzten Gesellschaftsgroteske „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“ zudem die Auszeichnung für die beste Inszenierung holen.

Bei den Schauspielern kamen Margit Bendokat, Annette Paulmann, Sandra Hüller , Paul Herwig und Fabian Hinrichs punktgleich auf den Spitzenrang. Zum besten Stück kürten die Kritiker unangefochten Roland Schimmelpfennigs China-Imbiss-Stück „Der Goldene Drache“, gefolgt von Dea Lohers „Diebe“ und Fritz Katers „we are blood“.

Für Karin Beier kommen die Ehrungen im dritten Jahr ihrer Intendanz am Kölner Schauspiel. Sie habe das Haus als „rettender Engel“ nach mühseligen, glücklosen Jahrzehnten wieder zu einem Erfolgsmodell gemacht, heißt es im Jahrbuch von „Theater heute“: „Eine Kölnerin kehrt zurück und führt die verirrten Schafe zurück ans Licht.“ Schon beim Theatertreffen der Berliner Festspiele im Mai war ihr Haus mit drei der insgesamt zehn dort geladenen Inszenierungen vertreten.

Ihre fast stumme Theaterfassung von Ettore Scolas Film „Die Schmutzigen, die Häßlichen und die Gemeinen“, die in einem schalldichten Glascontainer spielt, hat allerdings sowohl beim Festival wie auch jetzt bei den Kritikern die Lager gespalten. Während etwa Stefan Keim im Theater-Magazin von einer „grandiosen Inszenierung“ spricht, sah Christina Wahl nur eine plakative Mischung aus „Kitsch, Klischee und Schmonzette“.

Bühnenbildner Thomas Dreißigacker unterlag mit dieser Produktion nur knapp dem Vorjahressieger Andreas Kriegenburger, der für sein Mühlrad in Dea Lohers „Diebe“ am Deutschen Theater Berlin den Spitzenplatz holte. Den Titel als bestes ausländisches Stück teilen sich Pavel Liskos Telefonmitschnitt „Life and Times – Episode 1“ und Yael Ronens Drama „Dritte Generation“, die das schwierige Verhältnis zwischen Israelis, Palästinensern und Deutschen zum Thema macht.

Das gleich gute Abschneiden von fünf Darstellern in der Kategorie „Schauspieler/in des Jahres“ zeigt nach Ansicht des Magazins die derzeitige Bandbreite der Ausdrucksformen auf der Bühne. Weitgehend einig waren sich die Kritiker in ihrer Empörung über die Folgen der Finanzkrise: Die Länder, allen voran Nordrhein-Westfalen, ließen die Kommunen und ihre Theater im Regen stehen, hieß es.

„Theater heute“ ist eine der wichtigsten Theaterzeitschriften Deutschlands. Sie feiert dieses Jahr mit einer Jubiläumsausgabe ihren 50. Geburtstag. Jedes Jahr lädt das Magazin Kritiker ein, eine Hitliste für die vergangene Theatersaison zu erstellen.