Die junge Schauspielerin hat bereits mehrere Preise erhalten. Sie spricht im Abendblatt über Regisseure, Rollen, Film und Theater.

Hamburg. In ihrer Schauspielerkarriere hat Sandra Hüller (30) bereits einige Auszeichnungen erhalten. Für eine weitere entschied sich eine Jury unter Vorsitz von Ulrich Waller, künstlerischer Leiter des St.-Pauli-Theaters. Dort erhält Hüller an diesem Sonntag den mit 7500 Euro dotierten Ulrich-Wildgruber-Preis, benannt nach dem großen deutschen Schauspieler, der 1999 mit 62 Jahren starb.


Hamburger Abendblatt:

Ist diese Ehrung nach Ihren anderen Preisen noch eine Überraschung für Sie?

Sandra Hüller:

Klar ist das eine Überraschung. Ich bekomme den Preis ja nicht für eine bestimmte Arbeit, sondern für die Summe meiner Aktivitäten, die ich vorzuweisen habe. Es geht also auch um das Bild, das man in der Öffentlichkeit abgibt, worüber ich mir gar nicht so bewusst war. Durch die Auszeichnung wird mir deutlich, was ich die ganze Zeit versende - und das finde ich nicht schlecht.



Abendblatt:

Kennen Sie den Namen Ulrich Wildgruber?

Hüller:

Selbstverständlich. Ich habe ihn leider nie live spielen sehen, aber es gibt eine ganz tolle Dokumentation von Christoph Rüter. Ulrich Wildgrubers Name ist schon während meines Schauspielstudiums in Berlin häufig gefallen.



Abendblatt:

Nach den Erfolgen in Film und Theater haben Sie sich 2006 eine Auszeit genommen. Was ist seither passiert?

Hüller:

Die ist schon länger vorbei. Anfang 2007 habe ich in München an den Kammerspielen wieder angefangen und seitdem geht es kontinuierlich durch. 2007 war es noch wenig, aber letztes Jahr war es wieder sehr voll mit drei Filmen, Kurzfilmen und Theater.



Abendblatt:

Bei den Autorentheatertagen 2008 haben die Hamburger Sie live als "Mamma Medea" beim Kammerspiele-Gastspiel erlebt. Haben Sie die Kindsmörderin nicht schon zweimal gespielt?

Hüller:

Ja, auch die von Grillparzer in Basel. Sie ist heroisch und romantischer gezeichnet. Theaterautor Tom Lanoye hat in "Mamma Medea" einen kühlen Blick auf die Figur und sie vom Sockel runtergeholt, was mir am Anfang gar nicht geschmeckt hat.



Abendblatt:

Womit hatten Sie denn Schwierigkeiten?

Hüller:

Ich wollte sehr lange immer, dass die von mir gespielten Figuren vollständig verstanden und vor allem gemocht werden. Wie beim Kasperltheater, dass man ihnen bei jedem Schritt folgt und denkt: "Nein, mach' das nicht!" Lanoyes Medea ist ambivalent, hassenswert und teilweise unverständlich. Man muss zeigen, dass sie übertreibt. Es war das erste Mal, dass ich mich getraut habe, jemanden zu zeigen, der nicht in dem Sinn sympathisch ist.



Abendblatt:

Suchen Sie sich nicht gerade solche außergewöhnlichen Frauenrollen aus?

Hüller:

Ich entscheide das selten bewusst und mehr intuitiv. Personen an Schnittpunkten in ihrem Leben verraten viel mehr über ihren Charakter. In Extremsituationen wird der Mensch erst deutlich, auch in seinen Abgründen oder Mängeln.



Abendblatt:

Wie leicht fällt es Ihnen, sich in fremde Krisen zu stürzen?

Hüller:

Das kann ich nicht sagen. Das hängt von der Rolle ab, inwieweit ich mich da hineinfallen lassen kann. Beim Film ist der Prozess weniger lang, da kann ich impulsiver und oft extremer reagieren. Aber es gibt ja auch unterschiedliche Formen von Theater und Film.



Abendblatt:

Oder Regisseure?

Hüller:

Johan Simons, mit dem ich ab 2010 an den Münchner Kammerspielen wieder fest im Ensemble arbeiten werde, geht beispielsweise davon aus, dass die Figur und der Schauspieler zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Der Schauspieler hat immer die Möglichkeit auszusteigen und die Figur zu führen.



Abendblatt:

Was reizt Sie mehr, Theater zu spielen oder der Film?

Hüller:

Ich mache es so, wie es sich ergibt, was allerdings eine gewisse Kooperationsbereitschaft von der Theater- und der Filmseite voraussetzt. Die sind sich leider immer noch ein bisschen spinnefeind. Was ich, wenn ich mich anstrenge, verstehen kann, aber nicht will.



Abendblatt:

Weil beide Seiten voneinander profitieren?

Hüller:

Ja. Das Theater profitiert davon, dass die Leute eine größere Bekanntheit haben und Zuschauer kommen, die vielleicht sonst nicht gekommen wären. Und der Film bekommt gut ausgebildete Schauspieler. Ich finde, die können sehr froh sein, dass sie einander haben.



Abendblatt:

Sie sind offen für Neues. Warum arbeiten Sie derzeit in Freiburg am Tanz-Projekt "For Love"?

Hüller:

Ich kenne den Regisseur Tom Schneider aus meiner Basler Zeit gut. Und Tanz hat mich als Zuschauerin immer interessiert, aber ich gehe auch privat gern tanzen.