Im Interview äußert sich Maler Michael Triegel über sein Papstbild, das er in Leipzig vorstellt - als Teil der Schau „Verwandlung der Götter“.

Leipzig. Am Sonnabendabend stellt der Maler Michael Triegel in Leipzig sein Papst-Portrait vor. Es ist Teil einer größeren Schau unter dem Titel „Verwandlung der Götter“ mit rund 70 Arbeiten des 41-Jährigen. In einem Interview schilderte der konfessionslose Leipziger am Freitag Werden und Wirkung des Werks.

Herr Triegel, „Verwandlung der Götter“ betiteln Sie Ihre Leipziger Werkschau. Wollen Sie provozieren?

Triegel: Die Ausstellung wird manchen im Kunstbetrieb sehr verstören. Da operieren heute doch viele noch mit einem überholten Avantgarde-Begriff des 19. Jahrhunderts. Aber wenn zeitgenössische Kunst heute das Verständnis als Avantgarde ernst nehmen will, muss sie das Unerwartete tun, das, was nicht im Mainstream liegt, was verstört.

Was meint da „Verwandlung“?

Triegel: Ich will, dass sich die Sphären durchdringen, und beziehe mich auf Archetypen der römisch-griechischen Mythologie oder der christlichen Ikonographie, um das Göttliche zu vermenschlichen. Das ist der Versuch, etwas darzustellen, was in unserer heutigen Zeit keine Rolle mehr zu spielen scheint. Unsere Gesellschaft hat doch neue Götter geschaffen – lange nach der Aufklärung. Sei es die Anbetung des Geldes, sei es, dass Fernsehen und Medien mediokre Leute zu Idolen machen, die in ihrer Mittelmäßigkeit eine Göttlichkeit darstellen sollen.

Gehört zum Verstörenden auch das Papst-Portrait?

Triegel: Sicher. Es scheint fast nichts Verboteneres zu geben, als figürlich, in 20 Lasuren altmeisterlich zu malen, und dann noch im Auftrag den Papst zu porträtieren. Das sind eigentlich alles Tabubrüche.

Sie haben viele Wochen an dem Bild gearbeitet. Was hat das Bild mit Ihnen gemacht?

Triegel: Das war vom Moment der Anfrage an ein aufregender und spannender Prozess. Als ich Benedikt im März im Vatikan begegnete, ging mir durch den Kopf: Du malst den Papst, Du malst 2.000 Jahre Christentum, 500 Jahre Kunstgeschichte. Dabei ging es aber doch um ein Portrait, nicht um Kirchenpolitik. Dann machte ich verschiedene Entwürfe. Als ich endlich mit dem Bild allein im Atelier war, das war unglaublich befreiend. Am Ende ist es eine pausenlose Zwiesprache mit der Figur.

Das Bild hat Gegensätze: Der Kopf ist recht klein, wirkt auf den ersten Blick wenig einladend. Die Gestalt sitzt, hat aber auch Bewegung in sich. Der Blick trifft den Beobachter. Muss der sich ins Gespräch hineinbegeben?

Triegel: Das wäre die Idealvorstellung: Vor dieses Bild nicht nur als Betrachter, sondern auch als Betrachteter zu treten. Deswegen habe ich mich auch an dem Blick so lange aufgehalten. Es sollte dem Betrachter nicht darum gehen, die Altersflecken einzeln zu studieren und zu gucken, wo welche Falte sitzt. Er sollte sich diesem intensiven Blick stellen, in dem ja Fragen stecken.

Fragen?

Triegel: Ja hoffentlich. Immer Fragen, die – ganz unterschiedlich – im Betrachter selbst angelegt sind. Hoffentlich leistet das Bild diesen Anstoß. Denn dann habe ich einen Menschen gemalt, nicht eine Ikone. Einen 83-jährigen alten, weisen Mann, der ein schweres Amt zu tragen hat. Das zeigt ja auch dieses neue Buch. Wenn dieser menschliche Aspekt wahrgenommen wird, kann das der Kirche heutzutage nur gut tun.

Das Bild ist für eine Bibliothek in Regensburg bestimmt, der Papst hat in seiner Hand ein Blatt...

Triegel: Ich wollte unbedingt den Papst mit dem geschriebenen Wort verbinden. Bei der Audienz im März sprach Benedikt in wunderbar klaren, hoch intellektuellen, aber doch einfachen Worten von Bonaventura. Er sprach nicht als Lehrmeister, sondern berichtete, was ihm Bonaventura in seiner Studienzeit bedeutet habe. Das war anrührend. Dieser Papst ist ein Mann des Wortes. Das wollte ich darstellen.

Wie gehen Betrachter mit dem Portrait um?

Triegel: Die Interpretation eines Bildes sagt vor allem etwas aus über den Interpreten. Wenn jemand den Papst nicht mag, wird er nur Greisenhaftes und Schwaches sehen – was im Umkehrschluss als etwas Menschliches und Warmes wahrgenommen werden kann. Gerade die Beurteilung des Blicks Benedikts auf dem Bild geht weit auseinander: weise, beobachtend, schalkhaft, schelmisch, ängstlich. Aber das genau ist die Chance von bildender Kunst. Sie setzt keinen Abschluss, sondern macht ein Gesprächsangebot. Und jeder Betrachter muss seine eigene Geschichte mit einbringen.

Der Papst hat Sie mit den Worten „Da ist mein Raffael“ geadelt. Rasch galten Sie als „Papstmaler“, nun sind Sie hier und da schon als Kirchen- oder Auftragsmaler verschrien. Wie gehen Sie damit um?

Triegel: Ich habe weder mit einem Auftrag als solchem, wenn ich ihn denn zu meinem eigenen machen kann, noch mit der Kirche als Auftraggeber Probleme. Im Gegenteil: Für mich ist das eine Möglichkeit, aus der Selbstreflexion des ganzen Kunstbetriebes auszubrechen.

Aber „Kirchenmaler“ ist in Ihren Kreisen fast ein Schimpfwort.

Triegel: Eine Backpfeife angesichts all dessen, was in den letzten 50 Jahren in Kirchen an Kunstwerken verbockt wurde. Aber schauen Sie: Gerhard Richter, Markus Lüpertz, Neo Rauch – sie alle haben in den letzten Jahren für Kirchen gearbeitet. Das ist kein Zufall. Das ist die Annäherung von Seiten der Künstler – weil diese pausenlose Selbstreflexion der Kunst an ein Ende gekommen ist. Vielleicht kehrt die Kunst damit wieder dahin zurück, wo sie auch herkam: aus dem Kultus. Der Athener ging doch nicht wegen teurer Kunst, sondern wegen der Götterbilder zur Akropolis.

Also gelegentlich wieder Kirchenkunst von Triegel?

Triegel: Ich werde sicher nicht nur Altarbilder malen. Aber bislang fand ich es jedes Mal ungeheuer schön, dass ein solches Werk nicht nur als Artefakt wahrgenommen wird. Da wird eben nicht nur gesagt, dass der Triegel toll Haut malen kann oder komponiert. Nein, für eine bestimmte Gruppe von Menschen hat das Bild ganz besondere Relevanz. Vor diesem Werk werden dann Gottesdienste gefeiert, Messe, Taufe, Requiem. Das ist eine Aufgabe, der man sich stellen muss. Ungeheuerlich. Und reizvoll.