Zwischen Mafioso und Shakespeare-Schurke stieg der Italo-Amerikaner Al Pacino zum vielleicht besten Schauspieler seiner Generation auf.

Frankfurt/Main. Al Pacino ist nicht nur ein toller Name, sondern ein Schicksal. Seine stechenden Augen unter buschig-schwarzen Brauen und seine Ausstrahlung eines Dampfkessels kurz vor der Explosion prädestinierten den Italo-Amerikaner geradezu für seine fulminanten Mafiagangster-Auftritte, die ihn zur lebenden Legende machten. Doch dieses Image muss für den grandiosen Charakterdarsteller, der am 25. April 70 Jahre alt wird, auch schmerzlich sein. Denn Al Pacinos große Leidenschaft ist das Theater.

Der 1940 in der New Yorker Bronx als Sohn sizilianischer Einwanderer geborene Schauspieler wuchs bei seinen Großeltern auf. Auf der Schule machte ihm nur das Schultheater Spaß, und so warf er mit 17 Jahren das Handtuch, um Schauspieler zu werden. Tagsüber schlug er sich als Gelegenheitsarbeiter durch, abends nahm er Schauspielunterricht. Schließlich wurde er am renommierten „Actor's Studio“ von Lee Strasberg angenommen und feierte erste Erfolge auf Broadway-Bühnen. Doch der talentierte Bühnenmime war zu auffällig, um nicht bald vom Film entdeckt zu werden.

Charisma eines Dampfkessels kurz vor der Explosion

1971 erregte er mit seiner Hauptrolle im Junkie-Drama „Panic in Needle-Park“ die Aufmerksamkeit von Francis Ford Coppola. Gegen heftige Widerstände setzte Coppola den Unbekannten als Michael Corleone im Mafia-Epos „Der Pate“ durch. Der Rest ist Geschichte: Neben „Asphaltblüten“ „Serpico“, „Hundstage“, „Carlito's Way“ erspielte sich Pacino besonders durch Brian De Palmas Gangsterdrama „Scarface“ mit kultigen Schimpfkanonaden à la „Was ist? Du gibst mir einen Befehl? Amigo, also die einzigen in dieser Welt, die mir einen Befehl geben sind meine Eier, hast du welche? Hast du Eier?“ für alle Zeiten einen Platz im filmischen Olymp.

Obwohl sich Pacino als „einer der Jungs aus den 70er Jahren“ und dem rebellischen „New Hollywood“-Kino zugehörig fühlt, feierte er ab den 90ern seine vielleicht größten Erfolge mit harmlosen Unterhaltungsfilmen. Dazu gehören die Romanze „Frankie and Johnny“, in der er nach „Scarface“ zum zweiten Mal mit Michelle Pfeiffer auftrat, sowie der erotische Thriller „Sea of Love“ mit Ellen Barkin. Den Oscar bekam der sechsfach nominierte Star nicht für eine seiner elektrisierenden Mafiarollen, sondern für den entschärften Part eines blinden Offiziers in dem Melodram „Der Duft der Frauen“ 1993.

Mit kultigen Machosprüchen in den filmischen Olymp

Dazwischen spielte der Opernfan und Kettenraucher immer wieder Theater. Er inszenierte Shakespeare-Filme wie etwa sein gefeiertes Regiedebüt „Looking for Richard“; zuletzt trat er 2004 als Shylock in „Der Kaufmann von Venedig“ auf. Das Ausmaß seines Ruhmes belegen die Rollen, die er ausschlug: „Apocalypse Now“, „Kramer gegen Kramer“, „Star Wars“, „Pretty Woman“... In einer Zeit, in der Mafia-Filme passé sind, ging sein letztes großes Gangsterepos „Donnie Brasco“ mit Johnny Depp jedoch ziemlich unter. Und als satanischer Anwalt im Thriller „Im Auftrag des Teufels“ wirkte er mit seiner ungeheuren Intensität fast wie eine Karikatur seiner selbst.

Mag er von Filmhistorikern noch so oft als „großartigster Schauspieler seiner Generation“ bezeichnet werden, so gibt es doch jenen Erzrivalen, der ihm seit dem „Paten“ im Nacken sitzt: Robert De Niro, mit dem er sich im Gangsterdrama „Heat“ 1995 ein Gänsehaut-Duell lieferte. Doch Al Pacino in seiner theatralischen Kombination aus Grübler und Macho, der noch den kleinsten Auftritt mit nervöser Energie auflädt, würde sich nie wie De Niro zu komischen Rollen herablassen. Tatsächlich gilt er privat als schüchtern und etwas kauzig. Er hat drei Kinder, nie geheiratet, und hält es mit der Weisheit eines Zirkusartisten: „Da oben auf dem Seil leben wir, der Rest ist nur Warten.“