Al Jarreau: Das singende Ein-Mann-Orchester kommt am 23. November mit groovigem Jazz in die Musikhalle

Hamburg. Al Jarreau kämpft mit einer Erkältung und hat Angst vor noch mehr Viren. Deshalb gibt er zur Begrüßung nur den Arm und nicht die Hand. Der Sänger trägt Schwarz. Auf dem Kopf sein Markenzeichen, die schwarze Kappe. Irgendwie hat der Priestersohn damit selbst etwas von einem Geistlichen. Unglaublich, wie dieser Baum von einem Mann in einen Hotelsessel paßt.

Der überschäumenden Frohnatur des mittlerweile 63jährigen tut das alles keinen Abbruch. Schließlich hat er mit "Accentuate The Positive" (GRP/ Universal) ein schickes neues Album im Gepäck, das er am kommenden Dienstag in der Hamburger Musikhalle vorstellen wird. "Ich war mit einem Freund essen, dessen Mutter sehr krank ist. Als er mir sagte, wir müssen an das Positive denken, hat mich das umgehauen." Jarreau bricht seinen Satz ab und stimmt "Smile, when You're Heart Is Breaking . . ." an. Der Sänger scheint ohne große Mühen ohnehin jede Sekunde seines Lebens diesen Rat zu befolgen. "Wir sollten nicht über den Regen oder die Benzinpreise klagen. Das ist eine Entscheidung, die wir fällen können. Und das heißt auch mal um Entschuldigung bitten und die Scheiße wegräumen." Auch wenn er drastische Vokabeln benutzt, wirkt der Mann mit dem überdimensionierten Mund immer noch sympathisch. "Das hat gar nicht unbedingt mit Religion zu tun. Sondern damit, Ärger und Schmerz loszuwerden."

In seinem langen Musikerleben hat sich Al Jarreau immer wieder zwischen alle Stile gesetzt. Ausgehend vom Jazz-Soul früher Alben wie "Look To The Rainbow", landete er zwischenzeitlich in den 80er und 90er Jahren bei reichlich klebrigem Synthie-Pop. Das neue Werk eckt da mit seinen überwiegend klassischen Jazzstandards in keinem Gehörgang an. Und rollt auf der gleichen wonnigen Sorglos-Schiene wie die neuen erfolgreichen Soft-Jazzer um Diana Krall, Jamie Cullum oder Nora Jones. Kein Wunder, denn Krall-Produzent Tommi LiPuma hat auch bei Al Jarreau Hand angelegt.

Und gerne erzählt der Sänger davon, daß er auch das neue Album in dem legendären Studio A bei Capitol Records eingespielt hat. Auf dem Weg dorthin hängt das gesamte Ratpack von Frank Sinatra bis Dean Martin versammelt an der Wand. Schon hatte Jarreau die Idee für sein Plattencover. Da lacht er wie der junge Sinatra der 40er Jahre in die Linse. Aber schließlich singt er mindestens so gefühlvoll wie "The Voice". Seine Balladen wie "The Nearness Of You" oder "Waltz For Debby" klingen heute schwer nach dem Sound, mit dem er einst 1965 begann.

Bei soviel Weisheit hätte der Beruf des Sozialarbeiters wohl doch ganz gut zu ihm gepaßt. Aber wenn Jarreau aus dem Stand zu jenem "Scat-Orchestergesang" ansetzt, der ihn in aller Welt berühmt gemacht hat, ist es doch wieder wunderbar, daß dieser Mann seit fast 30 Jahren Platten aufnimmt. Zumal seine Karriere in einer Hamburger Kneipe begann. 1975 trat er im legendären Onkel Pö's auf: "Das werde ich nie vergessen. Ich war ein 35 Jahre altes Baby, und es war das erste Mal, daß ich vor Leuten spielte, deren Heimatsprache nicht Englisch war. Und die schrien ,gib uns mehr davon'!"

Al Jarreau ist überzeugt, daß auch sein neues Album in Deutschland mehr Freunde findet als in seiner amerikanischen Heimat: "Dort fragen sie immer nur ,Was ist das tolle Neue?'. Jazz verlangt nach Reflexion. Da gibt's kein Feuerwerk, keine Explosionen und kein Blut. Wir haben zweihundert Orchester in den vergangenen drei Jahren verloren, und keiner vermißt sie." Mit der politischen Führung seiner Landsleute steht Jarreau ohnehin auf Kriegsfuß: "Wir werden eine ganze Weile brauchen, um uns davon zu erholen. Wir haben viele Freunde verloren."

Zum Schluß wird er noch einmal richtig philosophisch: "Es liegt bei einem selbst, die Schönheit in den Dingen zu sehen und nicht im Dunkel zu bleiben." Er sieht eben das Positive - nicht nur in der Musik.

Al Jarreau Di 23. 11., 20.00, Musikhalle (U Gänsemarkt, Bus 3), Joh.-Brahms-Platz, Karten ab 40,75 Euro im Vorverkauf.