Ein Konzertabend voller Rock'n'Roll mit sanften Sonnenstrahlen und The National, Midlake und The Middle East im Stadtpark.
Hamburg. Es gibt schöne Geschichten über die Bedeutung von Popmusik für ihre Fans. Die bekannteste hat vielleicht Nick Hornby geschrieben, "High Fidelity", hier geht es hauptsächlich um die Liebe und ihre Verwicklungen. Und um die Frage, was denn wohl zuerst da war: die traurigen Songs oder die traurigen Menschen. Letztgültig geklärt werden konnte der tiefgründige Sachverhalt nicht, er wäre allerdings ohnehin, legt man den wunderbaren Konzertabend im Stadtpark mit The National , Midlake und The Middle East zugrunde, zu erweitern. Wie steht es denn mit der Logik der Gefühlslagen, wenn an sich traurige Musik ein Lächeln auf die Gesichter zaubert? Im Stadtpark verrichtete der Rock'n'Roll trotz Moll-Akkorden seinen Dienst als ekstatische und fröhliche Angelegenheit bei untergehender Sonne. Dazu passte gerade der waidwunde Rock von The National nun gar nicht - theoretisch. Was aber davon zu halten ist, wenn ein Song mit dem Titel "Terrible Love" für kollektive Glücksmomente und verzückte Weltumarmungsorgien sorgt: sehr viel. Gerade dann, wenn The-National-Sänger Matt Berninger in seinen leidenschaftlich und selbstvergessen vorgetragenen Texten den alten Affen Angst austreibt.
DIE MUSIK VON THE NATIONAL UND MIDLAKE
Die Selbstintrospektionen Berningers, seine Nachdenklichkeit und düstere Sicht aufs Ganze korrespondierten im Stadtpark-Konzert mit den vertonten Trauerweiden von Midlake und dem sanften, melancholischen Pop von The Middle East. Die gut 2000 Zuhörer vor der Freilichtbühne wurden Zeugen von nahezu perfekten Performances dreier Bands, die ziemlich trefflich für ein wenig Festivalatmosphäre sorgten.
Die australischen Newcomer The Middle East und danach die texanischen Softrocker Midlake - beides Bands mit sieben und mehr Mitgliedern - spielten ihre Sets vor einem lässig lauschenden Publikum. Es saß. Es schaute dabei freundlich und genießerisch, was zum einen an der schönen Musik lag, aber eben auch am Setting. Sommerabende im Park sind wie hingemalt, sanft getupft. Auf die zurückgenommene Art der Indie-Fans (beim WM-Gucken werden sie anders sein) goutierte die Menge die Auftritte der freundlichen Musiker. Die von Midlake lobten das Bier und die Stadt, seit ein paar Tagen sind sie schon hier. Wie anders aber muss ihnen Hamburg erscheinen als im Frühjahr, als minus zehn Grad herrschten. Midlake spielten damals im Knust ihren 70er-Popentwurf. Midlake sind friedfertig und langhaarig wie Hippies, einer von ihnen spielt sogar Querflöte.
In den Songs von The National kommen Trompete und Posaune zum Einsatz, und Scott Devendorf spielt ab und an sogar Violine. Punktuell eingesetzt natürlich, wie überhaupt der Sound von The National sehr ökonomisch ist: Es gibt kein Zuviel und Zuwenig. Die Gitarren der Dessner-Brüder Aaron und Bryce sind flächig und klingen bisweilen wie die von The Edge, Gitarrist der Band U2.
Deren Massenappeal werden die New Yorker nie haben, das Genugtuung verschaffende Rock'n'Roll-Kapitel "Endlich erfolgreich" ist im The-National-Epos jetzt trotzdem aufgeschlagen. Ihr aktuelles Album "High Violet" verkauft sich gut, und vor drei Jahren hätte die Band sicher nicht so viele Menschen in den Stadtpark gelockt. Ihre Songauswahl berücksichtigte vor allem "High Violet" und das Vorgängeralbum "Boxer", aus dem unter anderem "Slow Show" und "Fake Empire" gespielt wurden. Wenn nicht alles täuscht, ist Frontmann Berninger in der Phase, in der sich die Band auf Hunderten Konzerten (auch mal vor nur 20 Zuhörern) den Allerwertesten abspielte, viel, viel drängender und fahriger gewesen. Als würde er sich auf der Bühne zerreißen. Der Furor von einst ist nicht ganz weg, und trotzdem hat sich der Erfolg auf diese Band so sanft gelegt wie die milde Abendsonne auf den matt glänzenden Stadtpark. Es ist alles ganz angenehm.
Begeisterungsstürme ziehen übrigens nicht auf, das ist bei Indie-Konzerten meistens so, zumal wenn die Songs eher langsam sind. Von denen haben The National einige im Programm. Auch ihre Vorbands, Midlake und The Middle East, sind eher elegisch. Vielleicht war das der Grund, warum die bösen und beißenden Uptempo-Stücke von The National wie "Mr. November" und "Squalor Victoria" die Höhepunkte waren. The-National-Schlagzeuger Bryan Devendorf gibt dem Sound seinen treibenden Beat. Zusammen mit dem tiefen Bariton Berningers ist der am eindrucksvollsten. Vor ein paar Jahren mussten die Musiker von The National noch in einer Hamburger Jugendherberge schlafen, jetzt spielen sie an goldenen Abenden im Park.
Viel besser wird's nicht mehr.