Heute vor 30 Jahren starb der Kult-Regisseur Alfred Hitchcock. Das Fernsehen zeigt in diesen Tagen einige seiner berühmten Film-Klassiker.
Hamburg. Millionen von Zuschauern mochten nicht mehr duschen, nachdem sie "Psycho" gesehen hatten, Alfred Hitchcocks Meisterwerk über einen Mörder mit Mutterkomplex, der sein erstes Opfer unter der Dusche ersticht. Tagelang wurde mit der aufgeweichten Janet Leigh die perfekte Szene gedreht, die sich ins kollektive Gedächtnis der Kinobesucher einfräste. Nicht nur, weil die vermeintliche Heldin stirbt, weil sie so hilflos und verletzbar ist, das Haus, in dem das Unglück passiert ganz für sich allein dasteht und damit die Angst dort ohne Ausweg ist. Sondern auch, weil die Zuschauer so rücksichtslos in die Identifikation mit den handelnden Personen hineingezogen werden.
Am Ende fließt gurgelnd das Blut ab, die Kamera verharrt auf dem toten, aufgerissenen Auge. Ein Bild wie ein Gemälde.
Hitchcock war ein besessener Techniker, der populäre und perfekte Filme herstellen wollte. Die Manipulation der Zuschauer lag ihm stets mehr am Herzen als die Manipulation der Schauspieler. Er war der größte Künstler seiner Zeit. Seine Filme sind voll von psychologischen Bezügen, von geradezu infamer Verführungskunst. Heute vor 30 Jahren starb der Regisseur. Die ARD, Arte und 3sat zeigen in der kommenden Woche eine Reihe seiner Filme.
Alfred Hitchcock war notorisch verschwiegen. Was er zu sagen hatte, drückte er in seinen Filmen aus. Alles an ihm war kalkuliert, kontrolliert und so ausgelegt, mit dem geringsten Aufwand den größten Effekt zu erzielen. Der Engländer, der die Hälfte seines Lebens in Hollywood verbrachte und der neben Chaplin - ebenfalls Engländer - der berühmteste Filmregisseur seiner Zeit wurde, hatte einige skurrile Angewohnheiten. Dazu zählt sein ungewöhnlicher Humor (er ließ sich beispielsweise mit seinem eigenen, aus Wachs nachgeformten Kopf unter dem Arm fotografieren), sich einmal wöchentlich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen oder am ersten Drehtag, zu dem er selbstverständlich in Schlips und Anzug kam, bereits so penibel vorbereitet zu sein, dass er jede Einstellung für den gesamten Film im Kopf hatte.
Hitchcocks Leben bestand aus einer unaufhörlichen Jagd nach unübertrefflichen Mahlzeiten, exquisiten Weinen, nach Bequemlichkeit und guten Mitarbeitern. Er war vernarrt in blonde, kühle Schönheiten, die er für ihre Rollen in rüstungsartige Kostüme zwang (etwa Kim Novak in "Vertigo", Grace Kelly in "Über den Dächern von Nizza" Joan Fontaine in "Verdacht", Tippi Hedren in "Die Vögel" oder Ingrid Bergman in "Berüchtigt", die allesamt Meisterwerke sind). Wenigstens im Film wollte der Einzelgänger und Romantiker, der frustrierte fette Junge, als den er sich zeitlebens sah, Kontrolle über die idealen Frauengestalten haben.
Hitchcock, der Erfinder des "suspense", bei dem der Zuschauer mehr weiß als der Held, zeigte in seinen mehr als 50 Filmen eine ungewöhnliche Themenvielfalt. Seine Thriller waren große Liebesfilme wie etwa "Berüchtigt", "Rebecca" oder "Vertigo". Sie arbeiten mit Motiven aus der Kunst, dem Expressionismus und mit skurrilem Humor. Logik und Wahrscheinlichkeit waren ihm für seine Storys egal. "Drama", sagte Hitchcock einmal "ist Leben, aus dem man die langweiligen Abschnitte rausgeschnitten hat."
Mit "Frenzy", seinem letzten echten Thriller, feierte er einen der größten Triumphe. 46 Jahre vorher hatte er die erste Idee zu dem Stoff, der einige der denkwürdigsten Hitchcock-Effekte überhaupt enthält. Er bezieht seine Kraft aus der Mischung von Gefühllosigkeit und Komik. Der Film erzählt die Geschichte eines Frauenmörders und spielt damit, das Publikum zur Identifikation mit dem Bösen zu zwingen. Hitchcocks Filmlandschaften waren Fantasielandschaften. Das Einzige, was dabei zählt, ist die Überzeugungskraft der Fantasie.
Ähnlich erfolgreich wie "Frenzy" war zehn Jahre zuvor Hitchcocks "Psycho" gewesen, der Film, den man heute wohl neben "Die Vögel" als größten Hitchcock-Klassiker kennt. In "Psycho" ist der Wechsel von Beobachten und Beobachtetwerden auf die Spitze getrieben. Die meisten Protagonisten in Hitchcocks Thrillern sind Normalbürger, die in der Regel nichts mit kriminellen Machenschaften zu tun haben. Meist geht es um Schuld und Sühne, verdrängte Sexualität. Morde sehen bei Hitchcock oft aus wie Vergewaltigungen. Unter den in Hitchcocks Bildsprache verwendeten Symbolen finden sich Vögel als Vorboten des Unglücks (in "Erpressung" oder "Die Vögel"), Treppen, die Verlust oder Freiheit bedeuten können ("Berüchtigt", "Psycho", "Vertigo"), sowie Fesseln, um Abhängigkeit und Ausgeliefertsein auszudrücken. Spiegel tauchen im Zusammenhang mit dem Verlust oder der Erkenntnis der eigenen Persönlichkeit auf oder als allgemeines Symbol für Täuschungen. Selbst wer die Filme öfter sieht, wird immer noch Neues, Verborgenes entdecken.
Hitchcock-Filme im Fernsehen (Auswahl): "Frenzy" (heute, 20.15, Arte), "Psycho" (30.4., 0.35 ARD), "Der Auslandskorrespondent" (3.5., 0.20, 3sat), "Marnie" (6.5.,0.35, ARD)