Auch Politiker kritisieren den ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Sind dessen Vorwürfe wirklich völlig aus der Luft gegriffen?
Hamburg. In fast jedem Arbeitsvertrag findet sich ein Passus, in dem festgeschrieben ist, dass der Beschäftigte über Unternehmensinterna gegenüber Dritten Stillschweigen zu wahren hat. Anzunehmen ist, dass sich ein entsprechender Absatz auch im Kontrakt des scheidenden ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender findet. Insofern sind seine Ausführungen in einem "Spiegel"-Interview, im ZDF gebe es ein "Spitzelsystem" wie in der ehemaligen DDR, in dem "Redakteure den Parteien Senderinterna zutragen", zumindest arbeitsrechtlich bedenklich.
Auch bei der Wahl der Metapher hat sich Brender wohl ein wenig vertan. Man kann den Parteien ja alles Mögliche vorwerfen. Nur ihre Praktiken auf eine Stufe mit denen der Stasi in zu stellen ist ziemlich verwegen. So ist es kein Wunder, dass der stellvertretende Bundesvorsitzende der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Hugo Diederich, der auch Mitglied des ZDF-Fernsehrats ist, Brenders Äußerungen als "unverantwortlich" kritisiert hat.
Nun hat aber auch ZDF-Intendant Markus Schächter Brenders Äußerungen als "in der Sache falsch und in der Form maßlos und inakzeptabel" bezeichnet. Die ZDF-Redaktionen seien "unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Einflüsterungen". Wer etwas anderes behaupte, müsse dies belegen und, wenn er wie Brender zehn Jahre in der Verantwortung stehe, abstellen. "Man kann nicht gegen Diffamierungen zu Felde ziehen, indem man seine eigenen Mitstreiter diffamiert." Vertreter der Parteien haben sich ebenfalls zu Wort gemeldet: Der CDU-Politiker Marco Wanderwitz sprach von "Rufschädigung" und forderte in der "Bild"-Zeitung, Brenders Pension zu kürzen. Und der medienpolitische Sprecher der SPD, Marc Jan Eumann, hält Brenders Äußerungen für "abwegig". Er habe sich mit ihnen "keinen Gefallen getan".
Brenders Ausführungen, da hat Schächter recht, wären gewiss glaubwürdiger, wenn er Ross und Reiter nennen würde. Entbehren sie aber allein deswegen, weil er dies nicht tut, jeder Grundlage? Wer sich schon einmal länger mit Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterhalten hat, gewinnt den Eindruck, dass es die von Brender geschilderten Zuträger geben kann - und zwar nicht nur beim ZDF. Es wäre ja auch seltsam, würde es sich anders verhalten: Schließlich werden bei vielen öffentlich-rechtlichen Sendern nach wie vor Posten nach der politischen Farbenlehre vergeben. Da werden dann Journalisten ungefragt politischen Parteien zugeordnet. Dass trotz dieses "Anpinselns", wie Brender es im "Spiegel"-Interview" nennt, die meisten Redakteure von ARD und ZDF unabhängig berichten, ist ein Wunder.