Rune Denstad Langlo erzählt in seinem Off-Road-Movie “Nord“ von einem depressiven Skiliftbetreiber. Vorbild für die Figur war er selbst.

Wer Schneelandschaften liebt, braucht zurzeit nur aus dem Fenster zu blicken. Der norwegische Film „Nord“ zeigt noch schönere Winterbilder, aber auch skurrile Charaktere in absurden Situationen. Das ergibt trotz der niedrigen Temperaturen eine herzerwärmende Mischung, die schon auf zahlreichen Festivals für Gelächter in den Kinosälen gesorgt hat.

Am Donnerstag kommt das „anti-depressive Off-Road-Movie“, wie es der Verleih nennt, in die Kinos. Der Film macht nicht nur Spaß, sondern hatte auch eine therapeutische Wirkung.

Regisseur Rune Denstad Langlo ging es schlecht. Er litt unter Depressionen, kämpfte mit Panikattacken. „Das war eine ziemlich schlechte Phase in meinem Leben“, erinnert er sich. Um auf andere Gedanken zu kommen, fuhr er von seinem Wohnort Oslo ins Landesinnere nach Trondheim, um seinen Vater und seine Mutter zu besuchen. Als er auf dem Skihang in der Nähe seines Elternhauses stand, hatte der Dokumentarfilmer die Idee für einen Spielfilm. Ihm fielen die oft missmutigen Männer ein, die am Skilift arbeiteten.

„Das waren keine netten Leute, viele von ihnen sahen sehr ausgezehrt aus“, erinnert sich der 37-Jährige. Also erdachte er sich zusammen mit seinem Drehbuchautor Erlend Loe einen depressiven Liftbetreiber, der eines Tages erfährt, dass er im Norden des Landes einen vier Jahre alten Sohn hat. Er macht sich sofort auf den Weg und nimmt nur das Nötigste mit: ein Snowmobil und einen Fünf-Liter-Kanister Alkohol. Auf seiner Reise trifft er merkwürdige Menschen mit komischen Macken und viel Durst. Und er findet wieder Spaß am Leben.

Zuerst wollte Langlo den Film nur produzieren. Dann beschlich ihn aber das Gefühl, „ich kann doch die Geschichte nicht weggeben, denn der Typ, der da eine tiefe Krise überwindet, bin ja eigentlich ich.“ Also inszenierte er selbst. Ein Team von 20 Mitarbeitern zu dirigieren, fiel ihm anfangs nicht leicht. Fast wäre ihm noch der Hauptdarsteller abgesprungen. „Anders Baasmo Christiansen hatte vorher drei Monate lang ‚Hamlet’ gespielt. Er war total erschöpft und wollte nicht schon wieder in die Haut eines depressiven Typen schlüpfen. Aber je weiter wir bei der Reise kamen, desto besser ging es ihm.“ Gedreht wurde chronologisch.

Auch für Langlo bedeutete das Regiedebüt den Beginn einer Reise voller Überraschungen. Als der Film in Oslo anlief, begegneten ihm die Zuschauer noch reserviert. Die im Film dargestellte eigenwillige Landbevölkerung passte nicht so gut zum urbanen Selbstverständnis der Hauptstädter. „Wir sind doch keine Dumpfbacken und Landeier“, bekam er zu hören. 36.000 Zuschauer sahen den Film, die Macher hatten das Doppelte erhofft.

Aber dann wurde Langlo zur Berlinale eingeladen. Der Norweger hatte vorher noch nie an einem Festival teilgenommen. „Als ich davon hörte, war ich sehr aufgeregt. Ich dachte, das sei überhaupt nicht meine Liga“, sagt der bescheidene Regisseur. Aber der Film kam an, wurde später auf weiteren internationalen Festivals gezeigt und gewann mehrere Preise. Langlo reiste oft mit, kam viel herum und war überrascht: „Die Leute lachen in allen Ländern an den gleichen Stellen. Es ist zwar eine regionale, aber wohl doch auch universelle Geschichte.“

Der eigenwillige lakonische Humor in Langlos Film ähnelt dem seines Landsmanns Bent Hamer. Kein Wunder, dessen Komödie „Kitchen Stories“ hat Langlo beeinflusst und nach der gemeinsamen Arbeit mit Hamer an einem Pilotfilm entschloss er sich überhaupt erst, Regisseur zu werden. Ein wenig fühlt man sich auch an die Werke seines den seines finnischen „Nachbarn“ Aki Kaurismäki erinnert. Aber die Sache mit der Kino-Nachbarschaft ist in Skandinavien durchaus nicht so einfach.

„Wir mögen auch schwedische und dänische Filme, aber sie leider nicht unsere. Kulturell gesehen ist Norwegen immer noch der kleine Bruder.“ Diese Ausgangslage und die unterschiedliche Rezeption in verschiedenen Regionen seines Landes hat ihn auch für regionale Besonderheiten im Ausland sensibilisiert. Das Selbstverständnis der Ostfriesen fiel ihm sofort auf. „Meine Freundin kommt aus Emden. Das scheinen mir dort auch ziemlich spezielle Typen zu sein. Sie kommen mir beinahe dänisch vor.“

Zurzeit feilt Langlo an einem neuen Film. Er soll wieder dort spielen, wo er aufgewachsen ist. „Ich kenne die Gegend, die Leute und weiß, wie sie ticken.“ Diesmal zieht es ihn zum Drama. „Ich will meine Charaktere aber gut behandeln, ihnen soll nichts Böses geschehen. Es geht mir um Humanismus.“

Auf absurden Humor und Melancholie darf man sich dennoch wieder einstellen. Und auf maulfaule Dialoge, denn „wo ich herkomme, reden die Leute nicht so viel.“ Wenn man die Zuschauer mit spracharmen Pointen zum Lachen bringen kann, so hofft Langlo, wird man ihnen so wohl auch tragische Ereignisse ans Herz legen können.