Bis 2011 wird das Goethe-Schiller-Archiv in Weimar, das die Nachlässe der Dichterfürsten beherbergt, für rund zehn Millionen Euro saniert.

Weimar. Das Weltkulturerbe der deutschen Literatur ist umgezogen. Wissenschaftler und Bücherfreunde stehen in den nächsten eineinhalb Jahren vor der verschlossen Tür des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar.

Vom 4. Januar an werden Restauratoren, Techniker, Bauarbeiter und Architekten dem über 100-jährigen Gebäude zu neuem Glanz verhelfen. „Wir wollen bis 2011 für mehr als zehn Millionen Euro alles auf den neusten Stand der Technik bringen“, sagt Manfred Koltes, stellvertretender Archivdirektor. Die Nachlässe von Goethe, Schiller und anderer Literaten, Musiker, Wissenschaftler und Philosophen zogen deshalb seit Herbst in das Thüringer Hauptstaatsarchiv und in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek um.

Neben Goethes „Faust“ und Schillers „Don Carlos“ besitzt das Archiv 120 Nachlässe deutscher Geistesgrößen. „Unsere Werke hier sind unwiederbringlich, sollten sie jemals verloren gehen“, meint Koltes. Seit 2001 gehört das Archiv zu Weimars klassischem Weltkulturerbe.

Erbaut wurde der tempelartige Bau über dem Steilufer der Ilm zwischen 1892 und 1896. Als „Pantheon des Geistes“ war das nach dem Vorbild des Petit Trianon in Versailles errichtete Archiv zur Einweihung euphorisch gefeiert worden. Es ist das älteste Literaturarchiv Deutschlands.

Der letzte Goethe-Enkel verfügte in seinem Testament, dass der handschriftliche Nachlass seines Großvaters in den persönlichen Besitz der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar und Eisenach übergehen soll. „Ich habe geerbt, und Deutschland und die Welt sollen mit mir erben“, soll sie 1885 bei Übernahme der Handschriften gesagt haben. Um das Vermächtnis sicher aufzubewahren, investierte sie rund 400.000 Reichsmark aus ihrer Privatschatulle in den Archivbau.

Seit mehr als hundert Jahren nagt der Zahn der Zeit an den massiven Sandsteinmauern. Das Äußere ist schwarz und grau geworden und erinnert an den alten Berliner Reichstag. Sandstrahlgebläse sollen das ändern. Davon ist Archiv-Mitarbeiterin Susanne Fenske überzeugt, die neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit sorgfältig Umzugskartons gepackt hat. „Unser Haus wird wieder richtig hell erstrahlen.“ Der Stil vom Eröffnungsjahr 1896 steht im Mittelpunkt der Planung. Koltes ergänzt: „Das war hier mal ein richtiges Sommerschlösschen, und das soll es wieder werden.“

Die Fenster, von denen die braune Farbe abbröckelt, waren früher so grün wie das Gras im Sommer. Im Gebäudeinneren legten Restauratoren an den Wänden schon Reste der Originalfarben frei. Sie zeigen, wie es bei der Eröffnung aussah und 2011 wieder aussehen könnte. Dann will sich das Haus auch mehr für Touristen und Schulgruppen öffnen. „Wir wollen den Menschen ein einmaliges Erlebnis bieten“, nennt Koltes das Ziel.

Das Gros der zehn Millionen aus dem 90-Millionen-Euro-Programm von Bund und Land Thüringen für die Klassik Stiftung soll allerdings nicht für Äußerlichkeiten ausgegeben werden. In einer Mischung aus Literaturarchiv und Museum erbaut, hatte das Archiv bis in die 1960er-Jahre keine Magazinräume für die Unikate von Wieland, Herder, Hebbel, Büchner, Liszt und Nietzsche. In der künstlichen Erhöhung, auf der das Archiv steht, wird das klimatisierte Magazin Platz finden, ausgestattet mit neuer Sicherheitstechnik und Feuerschutz. Erstmals wird eine Restaurierungswerkstatt eingerichtet. Frühere Schätzungen gingen davon aus, dass etwa ein Zehntel des Bestandes restauriert werden muss.

Damit die Bauarbeiten starten können, mussten sämtliche Bücher und Briefe aus dem Haus verschwinden. „Man hofft, dass alles gut geht, aber ein bisschen unheimlich ist das schon“, gesteht Fenske. Die wichtigsten Werke werden Wissenschaftler über die Bauzeit nutzen können, teilweise auf Microfilm, versichert Koltes. Im Staatsarchiv haben die Kostbarkeiten eine Heimat auf Zeit gefunden. „Wir haben eine Kammer vollständig geleert, damit genügend Platz ist“, erklärt Direktor Bernhard Post.

Auf den ersten Blick kann der Unterschied zwischen beiden Archiven kaum größer sein: Das kunstvoll verzierte Gebäude der Großherzogin Sophie und das Staatsarchiv, in dem sich ein Büro ans andere reiht – ideal für Staatsdiener. Und nach Ansicht von Post ein perfekter Ort für Goethes Werke, denn der Dichter selbst war Beamter. „Wir haben den amtlichen Goethe, die drüben haben den literarischen Goethe.“