Nick Cave begeisterte seine Fans auf Kampnagel mit einer betörenden Mischung aus Lesung, Konzert und Frage-Runde - mit Blixa Bargeld als Gast.
Hamburg. Eine Lesung mit Nick Cave auf Kampnagel verspricht einiges, nur keine gewöhnliche Lesung, wo der Autor beflissen seinen Text in ein Wasserglas murmelt.
Der australische Sänger wirft sich auf einen Stuhl und beginnt mantraartig die Venushügel-Visionen seines Helden aus "Der Tod des Bunny Munro" zu beschwören. Teils blumige Metaphern und manche Obszönitäten rollen über die Zuhörer hinweg. Der zweite Roman des Musikers ist ein deftig-komisches Stück Literatur über einen Vertreter für Kosmetikartikel, der seinen Job dazu nutzt, um in Serie potenzielle Kundinnen flachzulegen.
Das allein gäbe einen etwas eindimensionalen Abend ab. Aber Cave bettet die Textfragmente in eine markant-melancholische Cave-Inszenierung. "Wir spielen hier ein paar Lieder und Zeug", kündigt er an und fordert volksnah zu Fragen und Songwünschen auf. Mal sagt er "okay", mal "vielleicht später", wirft sich an den Flügel und stimmt unter Jubelrufen die schönsten, zerquältesten Mörderballaden seiner langen Karriere an. "Into My Arms", "The Ship Song" oder "The Mercy Seat" verzaubern die überwiegend schwarz gewandete Zuschauergemeinde. Neben Bassist Martyn Casey steuert Warren Ellis am Boden zwischen Instrumenten kauernd ein paar prägnante Perkussion-Sounds und Streicherklänge bei. Später greift Cave zur Gitarre, um mit "Dig, Lazarus Dig!!!" den rohen Punk zu beschwören.
Als Blixa Bargeld die Bühne betritt, kommt es erst zu einer feierlichen Umarmung mit Bruderkuss, dann liest Bargeld unnachahmlich nuanciert die direkte Prosa seines ehemaligen Bad-Seeds-Bandfreundes, um hinterher auch noch mit dem gemeinsam interpretierten "Weeping Song" für Gänsehaut zu sorgen. Zwei Großfürsten des Underground unter sich. Ein Lied zu schreiben sei "wie eine Melone durch ein Nadelöhr zu pressen", sagt Cave. "Einen Roman zu schreiben ist einfach. Die reinste Freude!" Ein ergreifender Abend.