Rock: Nick Cave hat mit den Bad Seeds ein neues Album herausgebracht: “Dig!!! Lazarus Dig!!!“ hat so viel Rock 'n' Roll wie zuletzt “Henry's Dream“

Dreimal Musik für Theaterstücke komponiert, drei Filme vertont, unter anderem "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford", ein Album mit Grinderman herausgebracht und jetzt "Dig!!! Lazarus Dig!!!" mit den Bad Seeds. Nick Cave und sein Partner Warren Ellis, der bei allen diesen Projekten der vergangenen zwei Jahre dabei gewesen ist, sind Workaholics. "Wir treiben uns gegenseitig an und machen so viel gemeinsam, dass meine Frau schon ganz argwöhnisch ist", sagt Cave und lacht. Der Australier ist bester Laune. Und das, obwohl er Interviews eigentlich nicht besonders mag. Aber die Absatzkrise von Tonträgern zwingt selbst einen öffentlichkeitsscheuen Künstler wie Nick Cave, seinen Wohnsitz in London zu verlassen und in Berlin Rede und Antwort zu "Dig!!! Lazarus Dig!!" zu stehen.

"Ich wusste nicht, wie die neuen Songs klingen würden, als wir ins Studio gingen", sagt er. "Ich wusste nur, dass sie nicht klingen sollten wie 'Abattoir Blues'." Das war das erfolgreiche Vorgänger-Album, ein opulentes, mit viel Streichern arrangiertes Werk. "Dig!!! Lazarus Dig!!!" ist viel geerdeter und so viel Rock 'n' Roll wie seit "Henry's Dream" aus dem Jahr 1992 nicht mehr. "Wir waren weniger Musiker, sodass jeder mehr Raum hatte. Der Song 'We Call Upon The Author' zum Beispiel wurde überwiegend improvisiert. Niemand in der Band außer mir wusste genau, in welche Richtung es geht. Das hat etwas Abenteuerliches. Aber mit den Bad Seeds geht das."

Cave erklärt, dass er zurzeit mehr daran interessiert sei, Neues auszuprobieren, als Songs immer perfekter zu machen. Fans der Bad Seeds werden jedoch keine unwillkommene Überraschung bei Hören des neuen Albums erleben, die elf Songs sind schon typisch für Cave - vor allem, was die Texte angeht.

Nick Cave entführt uns auf dem 14. Studioalbum, das er mit den Bad Seeds aufgenommen hat, in seine Welten des Unterbewussten, in denen die Figuren sich freier und unbeobachtet bewegen können als in der Realität. Als ein Führer durch diese Welten des Todes, des Schlafes oder des Komas dient die biblische Figur des Lazarus, im Titelsong kurz "Larry" genannt: "Mich interessierte die Idee, dass jemand von den Toten aufersteht, in die Welt zurückkehrt, sich umsieht und dann unbedingt wieder ins Totenreich zurück will." Dieser unfreiwillige Zeitzeuge sieht sexuelle Gier ("Today's Lesson"), eine zerstörte Umwelt ("Moonland") und eine ganze Reihe von sich merkwürdig verhaltenden Gestalten. Viele der Texte erschließen sich nicht vollständig, aber das liegt auch nicht unbedingt im Interesse ihres Autors: "Jeder darf in die Songs reininterpretieren, was er möchte."