“Soul Kitchen“ erzählt die Story eines Gastwirts. Stars wie Moritz Bleibtreu drehen im Wilhelmsburger Industriegebiet.

Hamburg. Kaffee plus Wasser gleich Metaxa. Vor der Kamera geht diese Gleichung auf, denn der harmlose Mix sieht dem Hochprozentigen aus Griechenland ähnlich. Das machen sich die Requisiteure bei Fatih Akins neuem Film, den er gerade in Wilhelmsburg dreht, zunutze. Denn Schauplatz - und Titelgeber - ist eine (fast) fiktive Kneipe, das Soul Kitchen. Das Abendblatt war exklusiv am Set.

"Ey, was wird das? Ich will diese geklaute Scheiße nicht haben!", schreit Adam Bousdoukos in seiner Rolle. Der Grieche spielt den Wirt Zinos, der seiner Freundin nach Shanghai nachreist und die Geschäfte seinem kleinkriminellen Bruder Illias (Moritz Bleibtreu) übergibt. Eisige Wölkchen stoßen Bousdoukos mit dem Text aus dem Mund. Es ist Winter geworden, gestern, am elften von 43 Drehtagen. Kamera- und Tonleute reiben sich die Hände, klammern sich an Kaffee und Ingwertee, prüfen Einstellungen. Mitten im Industriegebiet. Ein paar Arbeiter schlurfen um halb neun zur Schicht, sonst ist das Filmteam unter sich. Eine herzliche Atmosphäre in rauer Kulisse.

Immer wieder läuft Bousdoukos als Zinos vor der Speditionshalle über die Rampe, die täuschend echt aus Holz errichtet wurde und im Film ins Soul Kitchen führt. Wütend schnauzt er Illias sowie seine Kumpanen Ziege (Marc Hosemann) und Mille (Akins Bruder Cem) an. Das derbe dümmliche Ganoven-Trio ist mit geklautem Plattenspieler und Mischpult angerückt. "Bringt das zurück - heude noch", faucht der Grieche in Hamburger Schnack.

"Ist gut, ist gut", sagt Akin, diskutiert dann aber doch Gesten und Pathos der Mini-Szene - und lässt die Klappe erneut fallen. In der Drehpause knetet eine Maskenbildnerin rasch noch mal Bousdoukos' Locken, bevor das Team in die Halle weiterzieht. Ein Set, das vor allem für Bousdoukos ein kleines Dejà-vu darstellt. Als Inspiration für die Gastro-Szenerie diente seine Taverna Sotiris in der Barnerstraße. Das nachgebaute Ambiente aus Bar, Holztischen und Fischernetzen unter der Decke wirkt allerdings ein wenig schlichter und rustikaler als in der Ottenser Realität.

"Das sieht aus wie am Anfang meines Ladens", erzählt der 34-Jährige. Im Jahr 2000 hat Bousdoukos das Restaurant, in dem er zuvor kellnerte, übernommen und liebevoll im mediterranen Crossover-Stil ausgebaut. Auch sein Schulfreund Akin ist Stammgast, legt ab und an Platten auf am DJ-Pult rechts vom Eingang - "wenn die normalen Gäste weg sind und die Ottenser Nachtgestalten kommen". Auch wenn er als Sotiris-Inhaber nicht rundum für alles von Drinks bis Küche zuständig ist wie in "Soul Kitchen", so spiegelt seine Rolle doch seine Geschichte und Lebensphilosophie wider: "Es ist wichtig, seine Berufung und die Liebe für sich zu erkennen und in Anspruch zu nehmen."

Der Dreh ist ein Heimspiel für Regisseur Akin, der sich mit Filmen wie "Auf der anderen Seite" oder "Gegen die Wand" längst zu einer internationalen Größe gemausert hat. Das US-Fachblatt "Variety" nennt ihn "teuton wunderkind", Akins jüngste Arbeit ist eine Episode für den Kompilationsfilm "New York, I Love You". Aber der 35-Jährige liebt eben auch Hamburg. Also spielt sein neuestes Projekt in Wilhelmsburg. Akin wurde auf den Stadtteil aufmerksam, weil sein Bruder Cem in einer Wilhelmsburger Bürgerinitiative gearbeitet hat.

"Wenn meine Familie nicht so an Altona hängen würde, könnte es mich schon interessieren, hier zu leben", sagt der Regisseur. Für ihn ist "Soul Kitchen" ein Heimatfilm. Aber nicht im Sinne der zugekitschten Werke, die in den 50er-Jahren für den schlechten Ruf des deutschen Films sorgten. Gegenbeispiele sind für ihn aktuelle Produktionen wie "Wer früher stirbt ist länger tot" und die Hamburg-Filme "Nordsee ist Mordsee", "Absolute Giganten" oder "Rocker". "Hamburg ist für mich in diesem Film nicht nur Kulisse, sondern einer der Charaktere. Stadtteile wie Wilhelmsburg sind abgerockte Gegenden, die Künstler anziehen, weil sie preiswerten Wohnraum bieten. Aber irgendwann kommen die Spekulanten, die letztlich das bedrohen, was Heimat ausmacht." Ein urbanes Phänomen, das hier genauso existiert wie in New York. Deshalb ist er auch optimistisch, mit "Soul Kitchen" wieder auf internationales Interesse zu stoßen.

Vier Millionen Euro wird der Film kosten, die bislang teuerste Produktion von Akins Firma corazon international. Auch der NDR und die Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein haben ihn mitfinanziert. Warum so teuer? "Gaukler kosten", sagt der Regisseur achselzuckend mit Blick auf seine 50 Sprechrollen, von denen er viele mit Hamburger Schauspielern besetzt hat - unter anderem Birol Ünel, Peter Lohmeyer und Gustav Peter Wöhler. Die Messlatte liegt hoch. "Das Licht, die Frauen und Männer müssen schön sein", fordert er. Und die Locations auch.

"Zuerst wollten wir in der HafenCity drehen", erzählt Koproduzent Klaus Maeck, "um nebenbei Veränderungen der Stadt zu dokumentieren." Aber dann fand Ausstatter Tamo Kunz die geeignete Halle in Wilhelmsburg. Und auch die Anwohner freuen sich über die kulturellen Impulse. "Es heißt ja, hier gibt's nur Proleten", sagt Rentnerin Renate Zell, "aber in meinem Haus, in dem ich seit 1947 wohne, leben alle Nationen unter einem Dach." Kein schlechter Ort für eine Küche mit Seele.