2008 nahm sie einen Kredit über 24 Millionen Dollar auf. Jetzt kann sie die fällige Summe nicht zurückzahlen.
Sie ist die berühmteste Fotografin der Welt. Sie fotografierte Whoopi Goldberg in einer Badewanne mit Milch und John Lennon am Morgen seines Todestages in inniger Umarmung mit Yoko Ono. Sie setzte die Queen so kunstvoll ins Licht wie auf einem Gemälde von Jan van Eyck. Noch im Mai eröffnete sie eine große Schau in Berlin.
Aber jetzt könnte Annie Leibovitz alles verlieren. Nach Berichten der "New York Times" verpfändete sie 2008 für einen 24-Millionen-Dollar-Kredit ihre Stadthäuser, ihr Landhaus und die Rechte an sämtlichen ihrer Fotos. Am 8. September wird nun die gesamte Schuldverschreibung fällig. Und nichts deutet darauf hin, dass Leibovitz die Summe aufbringen kann.
Wie es dazu kam, warum sie überhaupt solche Mengen an Bargeld brauchte, das ist derzeit Diskussionsthema Nummer eins in der New Yorker Kunstszene. Immerhin verdient die Starfotografin rund drei Millionen Dollar im Jahr mit Arbeiten für "Vanity Fair" und "Vogue" und bekommt für Werbe-Shootings Zehntausende Dollar pro Tag.
Ihre Ausgaben stiegen allerdings auch. Rund sechs Millionen Dollar zahlte sie vor sechs Jahren für drei benachbarte historische Stadthäuser in New York, geriet bei der kostspieligen Restaurierung in Streit mit Denkmalschützern. Für ihr früheres Studio in Chelsea liefen offenbar Rechnungen von Dienstleistern in sechsstelliger Höhe auf, die nicht bezahlt wurden.
Ihr Darlehensgeber, die Art Capital Group (ACG), ist eine Art Luxus-Pfandhaus an der New Yorker Madison Avenue. Künstler oder Sammler, die Geld brauchen, können ihre Werke hier in Zahlung geben, in der Regel zu Zinssätzen von bis zu 16 Prozent. Am vergangenen Mittwoch reichte ACG gegen Leibovitz beim New Yorker Bundesgericht Klage wegen nicht bezahlter Leihgebühren ein. Laut Klageschrift hatte sich die Fotografin im Juni 2008 an Art Capital gewandt - in einer "desaströsen" Lage, resultierend aus Hypotheken-, Grundschulden und unbezahlten Rechnungen. ACG pocht auf einen Vertrag, wonach Leibovitz der Firma erlaubt hat, ihre Häuser und die Rechte an ihren Fotos "einzeln oder in Gänze" zu verkaufen. Allerdings verweigere sie ACG-Maklern den Zugang zu ihren Häusern, so die Klageschrift.
Leibovitz selbst lehnte eine Stellungnahme ab. Ihr Sprecher Matthew Hiltzik sagte, die Anschuldigungen seien unwahr: Von Anfang an habe es mit ACG Ärger gegeben. "Annie geht es nicht anders als vielen, die mit Art Capital zu tun haben."
Freunde und Kollegen der Starfotografin räumen ein, sie sei in Geldfragen sehr unvorsichtig. Sie lebe aber auch nicht auf großem Fuß, sagt Tina Brown, Ex-Chefin von "Vanity Fair".
Viele glauben, dass Leibovitz den Überblick verlor, nachdem sich ihr Privatleben zum Teil dramatisch veränderte. 2001 bekam sie mit 51 Jahren nach einer Samenspende ihre Tochter Sarah. Im selben Jahr brach bei ihrer langjährigen Lebensgefährtin, der Schriftstellerin Susan Sontag, Leukämie aus. Im Februar 2005 starben Sontag und Leibovitz' Vater. Drei Monate später brachte eine Leihmutter Leibovitz' Zwillinge Susan und Samuelle zur Welt. Das ersehnte gemeinsame Familienleben blieb ein Traum. Ihrem Freund Charlie Scheibs zufolge fühlte sich Leibovitz in letzter Zeit überfordert: "Ich muss zu vieles gleichzeitig tun, es ist Chaos." Scheibs sollte ihr helfen, einige ihrer Fotos über ein Auktionshaus zu verkaufen - aber dann brach der Kunstmarkt in der Finanzkrise ein.
Freunde bezweifeln, dass sich für die Fotografin noch ein Ausweg finden lässt. "Wer so außergewöhnliche Bilder hervorbringt, ist nicht notwendigerweise ein perfekter Finanzmanager", sagte "Vanity-Fair"-Chefredakteur Graydon Carter.