Der Roman erzählt von einer Autofahrt zweier Schwestern durch Bulgarien - dabei existieren durchaus Parallelen zwischen Handlung und Vita der Autorin.

Zwei Schwestern aus Stuttgart begeben sich nach Bulgarien, um dort ihre familiären Wurzeln zu erforschen. "Der Vater war Bulgare, er war Arzt, er war in Stuttgart, er hat sich umgebracht - diese Faktoren stimmen", räumt Sibylle Lewitscharoff (55) Parallelen zwischen der Handlung ihres Romans "Apostoloff" und eigenen biografischen Daten ein.

Das Gros der Handlung berichtet von einer Autofahrt durch Bulgarien. Die Schwestern lassen sich vom überzeugten Patrioten Apostoloff durchs Land chauffieren. Der bulgarische Reiseführer gerät zwischen die Fronten und übernimmt eine Art Moderatorenfunktion. Die Schwestern verhalten sich nämlich höchst unterschiedlich: die jüngere Ich-Erzählerin wirkt aggressiv, absolut bulgarienfeindlich und neigt zur verbalen Polemik. Die Ältere ist besonnen, zurückhaltend und nimmt zumeist nur die Rolle der passiven Zuhörerin ein.

Sibylle Lewitscharoffs Roman "Apostoloff" ist kein geradlinig erzähltes Familienepos; er präsentiert eine Mischung aus Vatersuche, soziologischem Roadmovie und historischem Essay. Nicht etwa die überprüfbaren Fakten stehen im Zentrum, sondern spöttisch-zynisch zugespitztes Denken und assoziativ-spontanes Sprechen. Eine gehörige Portion Zorn lässt Sibylle Lewitscharoff durch ihre Protagonistin verbreiten, deren Hasstiraden an Thomas Bernhards Tonfall erinnern.

Dass sich die Schwestern in Bulgarien aufhalten, hat einen eigennützigen Hintergrund. Alexander Tabakoff, ein Freund des Vaters, hat ihnen 70 000 Euro dafür geboten, wenn sie helfen, die sterblichen Überreste ihres Vaters zusammen mit den Leichnamen 18 weiterer Exil-Bulgaren nach Sofia zu überführen.

"Vaterhass und Landhass sind verquickt", erklärte die Ich-Erzählerin. Und das aus durchaus plausiblem Grund. Die Schwestern waren elf und 13 Jahre alt, als sich der Vater, ein Gynäkologe, in der Garage erhängt hatte. Die Familie hat den Freitod nie hinterfragt, sondern bastelte an einer Verschwörungstheorie, nach der der bulgarische Geheimdienst den Vater in den Tod getrieben haben soll.

Das Loch, das der frühe Tod des Vaters im familiären System gerissen hat, lässt sich auch durch die Reise nicht wieder füllen. "Nicht die Liebe vermag die Toten in Schach zu halten, denke ich, nur ein gutmütig gepflegter Hass." Der finale Satz eines hybriden literarischen Konstrukts, das sich wie eine "Ästhetik des Hasses" liest.

Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff. Suhrkamp-Verlag, 248 Seiten, 19,80 Euro