Vier Tage Autoren treffen in Leipzig oder doch lieber zur lit.cologne nach Köln? Buchliebhaber müssen sich diese Woche zwischen zwei attraktiven Literaturfesten entscheiden.

Hamburg. "Dumm gelaufen" könnte man sagen, wenn man gerne liest, sich über die neuesten Trends in der Literatur informieren möchte oder seine Lieblingsautoren mal persönlich treffen will. Denn die Leipziger Buchmesse und das internationale Literaturfest lit.cologne, die beiden zweitwichtigsten und größten Ereignisse (nach der Frankfurter Buchmesse) im Leben deutscher Buchliebhaber, finden mit nur einem Tag Abstand in diesem Jahr fast zur gleichen Zeit statt. Sehr unterhaltsam geht's auf beiden zu. Denn neben dem Branchentreffen der Buchhändler, Verleger und Autoren werden in Leipzig jede Menge Programme beispielsweise zur jungen deutschsprachigen Literatur oder mit Sachbuchautoren angeboten. Und in Köln treten neben den Schriftstellern auch Schauspielerinnen wie Jasmin Tabatabai und Nicolette Krebitz oder der Kabarettist Gerhard Polt auf. Wohin also fahren?

Geht es nach Quantität, so steht Leipzig mit 1500 Autoren bei 1900 Veranstaltungen an vier Tagen weit vor Köln mit 160 Veranstaltungen und Autoren wie T.C. Boyle, Junot Díaz, Anne Michaels, Daniel Kehlmann, Tilman Rammstedt, Timothy Garton Ash, David Lodge, Peter Esterhazy, Juli Zeh, Silvia Bovenschen, Joseph O'Neill und Elke Heidenreich sowie Journalisten, Schauspielern, Film- und Theaterschaffenden, Politikern, Philosophen, Musikern, Komikern, Kabarettisten und Gourmets. Das allerdings an neun Tagen. Und erst zum neunten Mal. Leipzig ist dagegen eine Stadt mit einer jahrhundertealten Tradition in Verlagswesen und Buchbindekunst, die in den letzten Jahren (siehe Reclam) allerdings stark gelitten hat. Leipzig konnte im vergangenen Jahr mit 130 000 Messebesuchern punkten, 65 000 Menschen besuchten Veranstaltungen der lit.cologne.

Unterhaltsam kann es in beiden Städten werden. "Leipzig liest" am Donnerstagabend ist Europas größtes Lesefest. Die Veranstaltung nennt so viele Mitwirkende, dass man ins Taumeln gerät. Allein unter dem Anfangsbuchstaben A finden sich 64 Autoren. Auch Köln hat ja bereits mit derartigen Superlativen geworben. Seit Bastian Sick dort vor ein paar Jahren 15 000 Zuschauer zur "größten Deutschstunde der Welt" versammelte, glaubt man ja, dass Lesen weniger ein individueller Vorgang als ein Massenereignis sei.

Viele Autoren sind natürlich in Leipzig wie in Köln dabei. Johanna Adorjan ist mit ihrem neuen Roman "Eine exklusive Liebe" etwa am 13. und 14. März in Leipzig, am 15. in Köln. Aber während etwa Oswalt Kolle am Freitag mit Alexa Hennig von Lange in Köln über das Thema Aufklärung diskutiert, stellt in Leipzig eine Marina Orgasmus am Sonntag russische Künstler vor.

Köln setzt auf Unterhaltung, in Leipzig werden die neuen e-books präsentiert - die auf der Frankfurter Buchmesse eher im Verborgenen vorgestellt wurden -, jene elektronischen Lesegeräte, die in Zukunft die Inhalte von bis zu 12 000 Büchern speichern sollen. Begeistert davon waren bisher nur geplagte Lektoren oder Verleger, die in ihre Urlaube oder Wochenenden dicke Stapel von Manuskripten mitschleppen mussten und denen die e-books nun das Tragen erleichtern. Vielleicht aber ist der Besitz eines e-books bald so schick wie der eines iPods. Jetzt kommt es nur darauf an, den Käufern das Cybook, den Sony Reader, den Kindle oder andere Lesegeräte als cool zu vermitteln, nach der Devise, sieht schick aus und wer's hat, wirkt intelligent. Ob dann da nur Bücher wie "Kochen mit der Mikrowelle" oder "Wie verführe ich jeden?" drauf sind, sieht ja niemand und geht auch keinen etwas an.

Aber Leipzig vergibt auch den Preis der Buchmesse. Im Bereich Belletristik wurden sechs Titel nominiert - weil "das Angebot der hervorragenden Titel überwältigend war", wie die Jury sagt. Wer von den Nominierten - Wilhelm Genazino ("Das Glück in glücksfernen Zeiten"), Reinhard Jirgl ("Die Stille"), Daniel Kehlmann ("Ruhm"), Sibylle Lewitscharoff ("Apostoloff"), Andreas Maier (Sanssouci") und Julia Schoch ("Mit der Geschwindigkeit des Sommers") - den Preis erhält, wird am 12. März entschieden. Insider tippen auf Sibylle Lewitscharoff, bei der Online-Abstimmung liegt bisher Daniel Kehlmann vorn. Sachbuch-Favorit ist "Darwin" von Jürgen Neffe.

Weniger ungewiss als die Preisträger dürfte nach ein bis drei Messetagen die Erfahrung sein, dass man wieder ganz stark an die Kraft des gedruckten Wortes glaubt und Lesen wirklich Spaß macht.