Millionen Menschen sitzen zu Hause vor den Bildschirmen, der Schauspieler sieht sich die Premiere mit seinen Eltern an.

Krimi: Tatort - Auf der Sonnenseite. So, 20.15 Uhr ARD

Er hat Kraft getankt für das, was vor ihm liegt. Weit weg von Hamburg, in den USA, wo seine Partnerin Desiree Nosbusch mit ihren Kindern lebt. Vor Mehmet Kurtulus liegt: eine Fernsehausstrahlung. Belanglos: Der Mann ist schließlich Schauspieler von Beruf! - und gleichzeitig so wichtig. Schließlich ist es nicht irgendeine Rolle, mit der er die vergangenen Monate verbracht hat. Es ist der Deutschen liebstes Krimiformat, die letzte Bastion im Fernsehdschungel: der ARD-"Tatort". Geschätzte neun Millionen Augenpaare werden am Sonntag nach der "Tagesschau" verfolgen, wie sich Kurtulus in seine neue Rolle verwandelt. In den Ermittler Cenk Batu, an dem so ziemlich alles anders ist, als es Walter Richters Kommissar Trimmel, der singende Manfred Krug oder Robert Atzorn als mürrischer Jan Casstorff auf dem Hamburger Polizeipräsidium vorgelebt haben. Gespannt ist der 36-Jährige auf die Reaktion seiner Eltern, mit denen er den "Tatort" gucken wird: "Die eigentliche Feuerprobe findet dort statt", so Kurtulus zum Abendblatt.

Kurtulus' Cenk Batu ist "Under cover"-Polizist. Als verdeckter Ermittler schleust er sich ins organisierte Verbrechen ein, lebt unter falschen Identitäten. Kein Job für angeschlagene Gemüter, sondern für Typen wie den Neuen: stark, cool, abgeklärt - und seltsam verloren. Ein einsamer Kämpfer. Ein Zerrissener. Der Kommissar, der aus der Kälte kam. Seine einzigen Kontakte zur anderen Seite sind sein Vorgesetzter bei der Polizei und nächtliche Partien Fernschach mit seinem in der Türkei lebenden Vater. Womit wir bei der zweiten Auffälligkeit wären; denn natürlich kann man nicht ignorieren, dass mit Cenk Batu zum ersten Mal in der "Tatort"-Historie - und für mindestens fünf weitere Male - ein türkischer Kommissar seinen Dienst antritt. Und mit Kurtulus erstmals ein türkischstämmiger Schauspieler die begehrte Ermittlerrolle übernimmt.

Wie das Drehbuch-Duo Thorsten Wettcke/Christoph Silber und Regisseur Richard Huber damit umgehen, wird in der Auftaktfolge "Auf der Sonnenseite" schnell deutlich, nämlich offensiv. "Ey, kannst du bitte deutsch mit mir reden? Mein Türkisch ist so schlecht", sagt Cenk Batu zu einem vermeintlichen Landsmann. Er hat weder Appetit auf Döner noch Lust auf "türkische Kleinkriminellen-Scheiße". Weil er im Krankenhaus sein Zimmer mit einem Türken teilt, ist er genervt: "Legen die einen hier nach Rassen?" Batu ist definitiv kein Vorzeige-Türke. "Das Türkischstämmige ist für meine Rolle nebensächlich", findet Kurtulus. "Batu macht seine Arbeit - unwichtig, welche Wurzeln er hat."

Kurtulus selbst spricht gut Türkisch - dabei verließ seine Familie bereits 1974 die Türkei und zog nach Salzgitter, der Sohn war zwei Jahre alt. Seinen ersten Filmerfolg bescherte ihm ein langjähriger Freund: der Hamburger Regisseur Fatih Akin, der ihn 1998 in seinem Debüt "Kurz und schmerzlos" als türkisches Gang-Mitglied Gabriel besetzte.

Am Sonntag nun ist Kurtulus' Karriere um einen Meilenstein reicher, sein Bekanntheitsgrad ungleich größer. "Ich bin beglückt von der Rolle. Ich bin beglückt, dass es Hamburg ist, weil mich viel mit der Stadt verbindet", sagt er, und: "Ich bin stolz auf diesen 'Tatort'." Dann bleibt ja nur noch: tief durchatmen. Einschalten.