Wacken-Open-Air-Gründer Holger Hübner über das wichtigste Metal-Festival der Welt.

Wacken. Das 19. Wacken Open Air vom 31.7. bis 2.8. ist schon seit Monaten ausverkauft und wird 65 000 Metal-Fans in das schleswig-holsteinische Dorf bringen. Holger Hübner, einer der Gründer, ist noch heute dabei und erzählt nicht nur, wie alles anfing, sondern auch wo alles hingeht - zum Beispiel nach Aurich, wo am 5.7. "Wacken rocks Seaside" stattfindet. Ein Metal-Festival mit Motörhead, Saxon und vielen anderen Bands, das all jene besonders freuen dürfte, die keine Karte fürs "echte" Wacken mehr bekommen haben.


Abendblatt:

Warum kaufen Zehntausende ein Ticket für das Wacken-Festival, ohne zu wissen, wer überhaupt spielt?

Holger Hübner:

Das Event ist entscheidend. Bis zu 30 000 Karten sind tatsächlich schon verkauft, bevor überhaupt mehr als zehn Bands feststehen. Wir haben eben ein sehr treues Publikum. 75 Prozent kommen jedes Jahr wieder, und nur die restlichen 25 Prozent richten sich tatsächlich nach den Künstlern.



Abendblatt:

Das war aber nicht immer so. Wie hat sich das Wacken-Festival in den vergangenen 19 Jahren entwickelt?

Hübner:

Angefangen haben wir 1990 mit regionalen Bands und 1993 dann ein finanzielles Desaster mit sechsstelligem Minus erlebt. Die meisten Mitveranstalter gingen, nur Thomas Jensen und ich blieben übrig. 1993 gab es zudem einige persönliche Tragödien, weil Thomas' Mutter starb und ich einen schweren Verkehrsunfall hatte. Vom Krankenbett aus habe ich per Telefon die Künstler gebucht. Damals hatten wir etwa 4000 Besucher. Der nächste Einschnitt kam 1996, als der Vorverkauf nur schlecht lief, lediglich 1000 Karten verkauft waren, und wir am Rande einer Absage standen. Doch dann kam uns die Idee, die Böhsen Onkelz zu engagieren, der Kartenverkauf zog daraufhin so sehr an, dass am Ende 9000 Leute da waren. Danach ging es stetig bergauf. 1997 hatten wir 10 000 Besucher, 1998 waren es schon 17 000. Durch das Internet wurden wir auch international immer bekannter, und so sind die Besucherzahlen stetig gestiegen. Seit zwei Jahren liegen wir bei 65 000 Zuschauern.



Abendblatt:

Da kommt ja Monate im Voraus eine Menge Geld zusammen. Legen Sie das gewinnbringend an?

Hübner:

Nein, das geht nicht, denn manche Künstler müssen lange vorab bezahlt werden, und dann gibt es auch noch notwendige Investitionen in die Infrastruktur. Das Geld, das wir als Zinsgewinn verbuchen könnten, ist also schnell wieder weg.



Abendblatt:

Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Mitstreitern von damals oder ärgern die sich, dass sie das Handtuch geworfen haben und Sie jetzt das große Geld verdienen?

Hübner:

Die sind unsere Kumpel geblieben. Damals war ihnen das finanzielle Risiko einfach zu groß, aber deshalb gibt es jetzt keinen Groll. Im Gegenteil: Sie finden es toll, wie sich das Festival entwickelt hat und freuen sich, dass sie am Anfang dabei waren.



Abendblatt:

Und die Wackener selbst? Waren die nicht zumindest anfangs genervt von den vielen Langhaarigen in ihrem Dorf?

Hübner:

Nein, denn wir haben schon in den Anfangstagen darauf geachtet, dass jeder am Festival mitverdient. Inzwischen ist aus der Hauptstraße eine Flaniermeile geworden, auf der viele Wackener zum Beispiel Getränke verkaufen. Das hilft. Natürlich gibt es eine Minderheit, die unter der Lautstärke leidet, aber sonst gibt es keine Probleme, zumal wir jeden Abend ein Reinigungsteam durchs Dorf schicken, das aufräumt und eventuelle Schäden beseitigt.



Abendblatt:

Mit 65 000 Besuchern ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Gibt es Überlegungen, an einen anderen Ort zu ziehen, um mehr Karten verkaufen zu können?

Hübner:

Nein. Das Festival heißt Wacken und bleibt hier. Allerdings gehen wir jetzt in andere Länder, nach Brasilien, England, Russland und in die USA, weil es für die Fans dort aus finanziellen oder Entfernungsgründen schwierig ist, zu uns zu kommen. In diesen Länden wird es ab 2009 von uns lizenzierte "Wacken rocks"-Festivals geben. Sie alle sollen dem Original-Festival sehr ähnlich sein, und im Erfolgsfall werden wir noch in einige weitere Länder expandieren. Das diesjährige "Wacken rocks Seaside" in Aurich ist ein Testlauf.



Abendblatt:

Viele der Bands, die in Wacken auftreten, haben ein recht wildes Image und scheinen sich vorzugsweise von rohem Fleisch zu ernähren. Haben Sie da einschlägige Erfahrungen gemacht?

Hübner:

Nein, es geht insgesamt sehr moderat zu. Dass Musiker besoffen sind, ist normal, das gibt es ja auch anderswo. Aber mit zerstörten Hotelzimmern hatten wir bisher kaum Probleme. Die Jungs mögen auf der Bühne zwar herumbrüllen, aber hinterher erweisen sie sich meist als handzahm und sensibel und wollen am liebsten nur ihre Ruhe haben. Sehr stark trifft das auf den Black-Metal-Bereich zu, wo sich hinter den wilden Masken und Körperbemalungen oft halbe Kinder verbergen.