Prügel, Höhlen, böse Schlangen - wie gehabt. Nur dass die Gegner diesmal Kommunisten sind.

Hamburg. Zuerst fliegt sein zerknautschter Hut ins Bild, was schon genügt, um bei so ziemlich jedem jenseits der 30 einen wohligen Nostalgie-Schub auszulösen. Dann ist seine Silhouette zu sehen, und schließlich dreht sich Harrison Ford um. Da ist er wieder, dieser genervte Warum-passiert-dieser-Mist-eigentlich-immer-nur-mir-Blick. Unrasiert und meistens weit fern der Heimat. "Indy" ist wieder da, als wäre er nie weg gewesen. Gestatten: Jones. Henry Jones. Teilzeit-Professor. Vollzeit-Held.

Diesmal muss der Adventure-Archäologe einen Kristallschädel suchen, der nicht so ganz von dieser Welt ist, Eldorado finden, eine Atomexplosion überstehen und sich jede Menge Widersacher und unschöner Tiere vom Leib halten. Schlangen kann Jones immer noch nicht ausstehen. Eigentlich alles wie immer also.

Vermisst hat man den wortkargen Peitschenschwinger, wenn wir ehrlich sind, nicht. Warum auch. Er war ja längst ein zeitloser Teil des kollektiven Kino-Gedächtnisses geworden, jederzeit per DVD abrufbar. Schon sein erstes Abenteuer war bei der Premiere vor 27 Jahren hoffungslos veraltet. Sollte es ja auch. Wenn von A nach B geflogen wurde, dann zog ein Flugzeug eine rote Linie auf einer Karte hinter sich her, daran hat sich nichts geändert. Hier ging es immer nur um wahnwitzigen, unglaubwürdigen Kino-Spaß. Breitwand-Märchenstunde für Erwachsene. Aber für Sonderfälle wie diesen ist ein "Faust"-Zitat gerade großspurig genug, deswegen: Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern. Übermorgen, nur vier Tage nach der Weltpremiere in Cannes, ist es wieder so weit, dann startet "IJ 4" in den deutschen Kinos.

Während das heutige Mainstream-Kino seine Helden am Computer entwirft, im Fitnessstudio prall aufpumpt und sie dann, hektisch geschnitten, in immer künstelndere Welten steckt, kriegt Ford alias Jones immer noch per Hand und in aller Ruhe ordentlich was aufs Maul. Der Kollege Bruce Willis konnte sich bei "Stirb langsam 4.0" über Mangel an Dresche aus nächster Nähe nicht beklagen. Sylvester Stallones Rocky Balboa rührte harte Herzen, weil er die Faustregel "They never come back" stoisch überhörte, bevor er sich wieder in den Boxring wuchtete. Clint Eastwood hat eine leise Würde erreicht, die weniger Worte brauchte, als "Dirty Harry" je durch seine Zähne presste. Was lehrt uns das? Helden wie Indy, Rocky, Clint oder Bruce haben kein Verfallsdatum. Sie altern, vor allem aber reifen sie.

Bei "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" - schon dieser Titel ist eine einzige Retro-Pointe - gibt es keinen Vorspann, der Neu-Indianern erklärt, was sie erwartet. Auch das Indy-Leitmotiv von John Williams ist nicht zu hören. All das ist ohnehin bei jedem im Hinterkopf präsent. Mit solchen Petitessen will Regisseur Steven Spielberg bei seiner Vorruhestands-Sause auch erst gar keine Zeit verlieren. Er wirft seinen rüstigen Helden lieber gleich voll hinein ins Kloppen, Ballern und Demolieren. Dass diese Szenen immer wieder durch Momente wohldosierter Selbstironie veredelt werden, verleiht den Stunts eine Extraportion Old-School-Charme. Als Jones beim tarzanesken Hangeln durchs Gebälk einen Jeep verfehlt, knarrt der 65-Jährige, als hätte er beim Kreuzworträtseln die falsche Lesebrille erwischt: "Mist, ich dachte, der wäre näher."

Natürlich darf bei jedem Wiedersehen mit und jedem Nachdenken über Indiana Jones das Wort Mythos nicht fehlen, das Staunen über das Überlebensgroße, das Zeitlose, das Unverwüstliche. Das Überhöhte, das jeder Kino-Held als Projektionsfläche für Träume und Eskapismus bietet. Obwohl fast zwei Jahrzehnte seit dem letzten Stöbern in ungeziefergefüllten Höhlen vergangen sind, ist Jones' innere Uhr stehen geblieben. Das Böse ist bei ihm immer und überall.

Finstere Nazis, finstere Inder, finstere Nazis, das waren Jones' bisherige Gegner. Nun also, schließlich ist 1957 und Kalter Krieg, finstere Sowjets. In der Synchronfassung sind zwar - historisch nicht ganz korrekt - Russen daraus geworden. Aber das macht nichts, denn Cate Blanchett als pagenköpfige Stalinistin mit einer Schwäche für Übersinnliches ist in dieser Rolle so lecker böse, dass es eine Pracht ist. Für alle Fälle steht auf der Rückenpartie ihres Overalls schön deutlich "CCCP" unter Stern, Hammer und Sichel.

Später gesellen sich auch noch Außerirdische dazu, die sich so benehmen, als seien sie die schlecht erzogenen großen Brüder von E.T. und hätten bei der "Unheimlichen Begegnung der dritten Art" den Rückflug geschwänzt. Gott ja, Spielberg und sein Produzent George Lucas, beide jenseits der 60 und immer noch die letzten unbremsbaren Spielkinder Hollywoods, wären nicht Spielberg und Lucas, wenn sie sich nicht Zitate aus dem eigenen Blockbuster-Oeuvre erlauben könnten. Also gibt es am Anfang eine Referenz auf Lucas' nostalgisches Rock-'n'-Roll-Frühwerk "American Graffiti". Passt überhaupt nicht in dieses Genre, aber andererseits: Wer sollte die beiden daran hindern?

Dummerweise bekommt der Film nicht so gekonnt die Kurve, wie er beginnt. Immer wieder stehen sich Pointen und Plot im Weg. Je länger dieses vierte und wohl letzte Kapitel der Indyssee dauert, desto routinierter spult es sich Richtung Finale ab. Sobald die spielbergsche Special-Effects-Maschinerie angeworfen wird, werden Längen spürbar, und auch die Routine, mit der sich Jones und seine Kumpanen von Logik-Loch zu Logik-Loch durchhangeln.

Aus der Abteilung Küchenpsychologie kommt dann noch das für Lucas immer typische Vater-Sohn-Ding dazu. Das war bei der "Star Wars"-Saga so, bei der ganze Planeten dran glauben mussten, weil zum entscheidenden Zeitpunkt das gute Gespräch versäumt wurde. Das ist, etliche Nummern kleiner, auch hier so. Doch da Sean Connery, der im vorigen Teil als Jones senior seinem Sohn lässig die Show stahl, hier fehlt, wird die Konstellation ins Gegenteil verkehrt. Jetzt ist Jones junior der alte Herr, der darauf pocht, dass Doppeljunior auch brav die Schule zu Ende macht. Als Doppeljunior, schlimmstenfalls auch als nächste Indy-Generation, wird ein niedlich-blässlicher Jungdarsteller (Shia LaBoeuf - was für ein Name) eingeführt, als Abziehbild von Marlon Brando in "The Wild One", das aber noch etliche Trachten Prügel einstecken muss, bevor ihm der Hut seines Lehrmeisters passen kann.

"Das Altmodische, Handgemachte, Verschwitzte des Films ist sein stärkstes Werbeargument", schrieb die "Zeit" über Hollywoods zornige Greise. Das bringt es gut auf den Punkt. Jetzt läuft der Countdown zum jüngsten Alters-Actionkracher der letzten Jahre, doch währenddessen ist vor diesem Film schon vor dem Film, denn Spielberg arbeitet bereits am nächsten Senioren-Thema. 2009 sollen die Saurier in "Jurassic Park 4" wieder los sein. Gegen die sieht so schnell niemand alt aus.


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