In London und Wien werden kostbare Originale gezeigt, in Zürich setzt man auf die Inszenierung von Kopien - doch überall garantiert der Pharao hohe Besucherzahlen.

Hamburg. Von Totenruhen könnte der legendäre ägyptische Gottkönig nicht einmal mehr träumen: Seit dem Briten Howard Carter am 4. November 1922 mit der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun im ägyptischen Tal der Könige die sensationellste archäologische Entdeckung des 20. Jahrhunderts geglückt ist, fasziniert der früh vollendete Pharao die Menschen überall auf der Welt. Seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die unermesslichen Schätze aus der Grabkammer des 1323 v. Chr. gestorbenen Herrschers in zahlreichen Ausstellungen in Westeuropa und Amerika gezeigt - 1981 auch im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Doch nie zuvor gab es eine solche Häufung von Tutanchamun-Ausstellungen wie in diesen Tagen: Während - wie berichtet - seit Sonnabend eine perfekt inszenierte Schau unter dem Titel "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze" allerdings ausschließlich mit Kopien einen Eindruck von jener Situation zu vermitteln sucht, die Carter 1922 bei seiner Entdeckung vorfand, wird bereits seit November 2007 im Londoner Millennium Dome "Tutanchamun und das goldene Zeitalter" gezeigt, mit 130 Originalen aus dem Grab des berühmten Pharaos und anderen Fundstätten aus dem Tal der Könige im ägyptischen Luxor. Doch damit nicht genug: Seit Sonntag lockt nun auch noch das Museum für Völkerkunde in Wien mit der Schau "Tutanchamun und die Welt der Pharaonen" Bildungstouristen an, die hier mehr als 140 Originalexponate zu sehen bekommen - von der goldenen Sandale des göttlichen Kindkönigs über Schmuck und Waffen sowie den mit Gold- und Edelsteinintarsien verzierten Miniatursärgen, in denen sich die inneren Organe des im wahrsten Wortsinne teuren Toten befanden, bis hin zu einer drei Meter hohen Statue, dem größten Tutanchamun-Abbild, das jemals geschaffen wurde. Wie in London und Zürich haben auch die Wiener Ausstellungsmacher keinen Aufwand gescheut, ihre Exponate möglichst effektvoll in Szene zu setzen. Während der Eingangsbereich noch relativ hell ist, werden die anschließenden Räume in ein immer tieferes Dunkel getaucht, sodass die angestrahlten Objekte von mystischem Dunkel umgeben sind.

Da erscheint es fast müßig zu erwähnen, dass das Wiener Museum für Völkerkunde in der neuen Burg, das organisatorisch zum weltberühmten Kunsthistorischen Museum gehört, einen Besucherrekord erwartet. Dafür hat der Name Tutanchamun allerdings schon immer gebürgt: Als die Schätze 1972 erstmals in London gezeigt wurden, standen 1,7 Millionen Menschen Schlange. In Hamburg kamen 1981 mehr als 600 000 ins Museum für Kunst und Gewerbe, in den diversen amerikanischen Ausstellungsstationen lockte der Pharao insgesamt mehr als vier Millionen an, und die Bonner Bundeskunsthalle verzeichnete 2005 mit etwa 860 000 verkauften Tickets ebenfalls ein Rekordergebnis.

Allerdings erfordern Ausstellungen, wie sie zurzeit in London und Wien gezeigt werden, einen extrem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand. Da es sich um unwiederbringliche Originale handelt, sind die Versicherungssummen außerordentlich hoch, in Wien soll es sich um 500 bis 600 Millionen Euro handeln. Ohne Sponsoren lassen sich derartige Ausstellungen ohnehin nicht mehr realisieren. Außerdem werden höchste Anforderungen an die Sicherheitsstandards und die konservatorischen Bedingungen gestellt. Trotzdem bleibt jeder Leihverkehr von Kunstwerken mit Risiken behaftet. Während Tutanchamuns berühmte goldene Totenmaske 1981 in Hamburg noch zu sehen war, konnte sie weder in Bonn noch jetzt in London oder Wien gezeigt werden, da inzwischen ein generelles Leihverbot besteht. Wer eine Vorstellung davon gewinnen will, muss entweder nach Ägypten reisen oder sich die Kopie in Zürich ansehen.

Während die ägyptische Altertumsverwaltung und ihr höchst umstrittener Chef Zahi Hawass immer wieder darauf hinweisen, dass die kostbaren Exponate nur in seltenen Ausnahmefällen Kairo verlassen dürfen, tragen die dennoch regelmäßig stattfindenden Ausstellungen im kapitalkräftigen Ausland nicht unerheblich zum Etat der ägyptischen Behörde bei. Wie Insider berichten, erbrachte bereits die Tutanchamun-Ausstellung mit ihren fünf deutschen Stationen 1981 den ägyptischen Leihgebern durch Gebühren und Umsatzbeteiligungen den damals beachtlichen Betrag von elf Millionen D-Mark. Dennoch ist die Präsentation der Kostbarkeiten im Ägyptischen Museum von Kairo nach wie vor völlig unzeitgemäß und wenig ansprechend. Möglich, dass sich demnächst etwas daran ändern wird, zumal der Neubau eines Museums in Gizeh mit 24 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche geplant ist. The Grand Egyptian Museum soll künftig die Spitzenwerke der ägyptischen Altertumssammlung beherbergen. Ginge es nach Hawass, würde dazu auch die seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin beheimatete Büste der Nofretete zählen - zumindest als Leihgabe. Doch was für Tutanchamuns Totenmaske gilt, wird von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auch für das Bildnis der schönen Ägypterin postuliert: totales Leihverbot.

Doch darauf ging Zahi Hawass bei der Ausstellungseröffnung in Wien nicht ein. Er beschwor vielmehr die segensreichen Folgen der Ausstellung. "Tutanchamun berührt noch immer die Menschen auf der ganzen Welt. Diese Ausstellung ermöglicht die Beschaffung der dringend benötigten Mittel zur Erhaltung der ägyptischen Monumente sowie zum Bau und zur Renovierung von Museen. Die Altertümer in Ägypten sind ein Weltkulturerbe, und wir haben die Aufgabe, sie zu schützen und zu erhalten."

So wirkt der Gottkönig auch posthum noch positiv für die Kultur seines Landes. Schon vor Ausstellungsbeginn gab es 50 000 vorbestellte Tickets, die nur an einem bestimmten Tag innerhalb eines bestimmten Zeitfensters gültig sind. Und sie haben gepfefferte Preise: Für Erwachsene kostet der Eintritt immerhin 18 Euro. Dazu findet sich in einem Blog folgender Kommentar: "Wer viel Gold sehen will, muss auch etwas vom eigenen Schatz abliefern."