BERLIN. Rudolf Seiters spielt in dem RTL-Flüchtlingsdrama "Prager Botschaft" - Rudolf Seiters. Der CDU-Politiker hatte am 30. September 1989 den damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher nach Prag begleitet, war mit auf dem Balkon der deutschen Botschaft, als Genscher den alles entscheidenden Satz begann: "Liebe Landsleute, ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise . . . "

ABENDBLATT: Herr Seiters, wie waren die Zustände auf dem Gelände der Botschaft in Prag, als Sie 1989 dort eintrafen?

RUDOLF SEITERS: Hans-Dietrich Genscher und mir bot sich ein eindrückliches Bild: Der Garten war schlammig, es war schwierig, durch die Menge der Wartenden zum Gebäude zu gelangen. Wir spürten beide sehr deutlich, dass die Menschen ihr ganzes Vertrauen in uns setzten. Die Probleme auf dem Gelände hatten sich von Tag zu Tag zugespitzt. Die Botschaftsangehörigen haben Großartiges geleistet - aber natürlich auch die Helfer des Roten Kreuzes, die die Menschen verpflegt haben. Der psychische Druck, unter dem die Flüchtlinge standen, war enorm. Kinder waren auf der Flucht von ihren Eltern getrennt worden, und die tschechoslowakische Regierung gehörte ja nicht gerade zu den Reform-Motoren und führte vor der Botschaft immer wieder Verhaftungen durch.

ABENDBLATT: Und dann standen Sie während der Dreharbeiten wieder auf dem Balkon!

SEITERS: Das war bewegend - denn der 30. September gehört für mich zu den drei großen emotionalen Ereignissen des Jahres 1989: Prager Botschaft, Fall der Mauer, die Rede Helmut Kohls vor Hunderttausenden an der Frauenkirche in Dresden.

ABENDBLATT: Dieses Mal standen Sie ja nicht als Politiker oder DRK-Chef, sondern als Schauspieler vor der Kamera . . .

SEITERS: Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Immerhin wurden die Szenen mit dem teilweise gedoubelten Genscher und mir bis zu achtmal gedreht. ABENDBLATT: Wie lange haben Sie eigentlich überlegt, bis Sie die Rolle angenommen haben?

SEITERS: Als ich hörte, dass Genscher mitwirkt, habe ich für mich entschieden, auch mitzumachen.

ABENDBLATT: Sind die historischen Ereignisse in "Prager Botschaft" richtig wiedergegeben?

SEITERS: Ja. Natürlich kann man aber in einem Spielfilm nicht auf alles eingehen. Ich finde auch die menschliche Seite sehr gut dargestellt: Warum die Menschen es in der DDR nicht mehr aushielten, die zunehmende Perspektivlosigkeit - und das menschenunwürdige Spitzelsystem.

ABENDBLATT: Halten Sie Spielfilme generell für ein geeignetes Mittel, geschichtliche Ereignisse zu vermitteln?

SEITERS: Ja - denn viele Fernsehzuschauer wollen etwas näher an Menschen und Gefühle herangebracht werden, um einen Zugang zur Geschichte zu finden. Für diejenigen, die sich darüber hinaus stärker für geschichtliche Themen interessieren, gibt es ja auch sehr gute Dokumentationen.

ABENDBLATT: Die Euphorie der Wendejahre ist einer gewissen Abgeklärtheit gewichen. Sollten wir Deutschen uns häufiger an damals erinnern?

SEITERS: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen - keiner der früheren DDR-Bürger die Mauer zurückwünscht. Vielleicht hat der Westen auch mit seinen Versprechungen von "blühenden Landschaften" - die es ja heute gibt, aber es dauert eben alles etwas länger - dazu beigetragen, dass überzogene Erwartungen entstanden. Da konnten mancherlei Enttäuschungen nicht ausbleiben. Nach der Maueröffnung war ja auch so mancher Geschäftemacher aus dem Westen in der DDR unterwegs. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass das Ganze ein völlig unblutiger Umsturz war - wofür uns auch das Ausland viel Anerkennung gezollt hat. Und dass die Entwicklung insgesamt positiv war. Trotzdem müssen wir weiter darauf achten, dass sich die Lebensverhältnisse in Ost und West angleichen.