Kulturgut-Verkauf: Macht das baden-württembergische Beispiel Schule? Noch steht in Hamburg nicht zu befürchten, dass Museen Kunstwerke verkaufen müssen. Doch nachgedacht wird darüber schon.

Hamburg. Die Pläne des Landes Baden-Württemberg, kulturhistorisch besonders wertvolle Bestände aus der Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe zu verkaufen, um mit dem Adelshaus Baden eine Übereinkunft zu finden (wie berichtet), sind nicht nur in rechtlicher und rechtshistorischer Hinsicht höchst fragwürdig, sie werfen auch grundsätzliche Fragen nach dem Umgang mit Kulturgütern auf. Kann es angehen, dass ein Landesrechnungshof - wie kürzlich in Stuttgart geschehen - dazu aufruft, Kunstwerke aus Museumsbesitz zu veräußern, um Defizite in der Landeskasse aufzufüllen?

Ist es legitim, dass die Stadt Krefeld aus dem Besitz ihres Kaiser-Wilhelm-Museums das Monet-Gemälde "Das Parlament, Sonnenuntergang" für 18 bis 20 Millionen Euro verkaufen möchte, um das Musemsgebäude zu sanieren und außerdem Löcher im Stadtsäckel zu füllen?

Die meisten Museumsleute widersprechen energisch. Martin Henschel, der Chef der betroffenen Krefelder Sammlung etwa, spricht gar von "einem internationalen Ehrenkodex der Museen, nach dem allenfalls Kunst gegen Kunst verkauft werden kann, um etwa die Sammlung eines Hauses besser zu steuern". Manche Museumsdirektoren lehnen jeden Verkauf aus grundsätzlichen Erwägungen ab.

Wulf Herzogenrath, Direktor der Bremer Kunsthalle, drohte schon 2002 an, dass er gehen würde, wenn man Derartiges von ihm verlange. In einem "Zeit"-Beitrag nannte er drei Gründe für seine Ablehnung: "Erstens würde man aus der momentanen Bewertung heraus garantiert immer das Falsche verkaufen, vor 40 Jahren etwa den Jugendstil. Zweitens verprellt und verunsichert man die Stifter, die über ihre Besitztümer in Zukunft folglich anderweitig verfügen könnten." Und drittens glaubt Herzogenrath, dass derartige Verkäufe politische Begehrlichkeiten wecken könnten, auf diese Weise bequem Defizite auszugleichen.

Gerade Bremen hat jedoch - wenn auch Jahre vor Herzogenraths Amtszeit - gezeigt, dass es mit dem viel beschworenen "Ehrenkodex der Museen" im Ernstfall nicht weit her ist: 1987 versilberte die dortige Kunsthalle Renoirs "Blumenstrauß" in London für eine Million Mark, um mit diesen Mitteln den Erweiterungsbau des Museums zu finanzieren. Und das Bonner Kunstmuseum verkaufte 2001 ein Baselitz-Gemälde, um sein Defizit auszugleichen.

Wäre so etwas auch in Hamburg denkbar? Ein Beispiel: Das Museum für Kunst und Gewerbe besitzt drei afrikanische Skulpturen, die keiner der zahlreichen Sammlungen des Hauses zugeordnet werden können und daher vermutlich bis zum jüngsten Tag im Depot herumliegen werden. Schätzwert laut Christie's: mehr als zwei Millionen Euro. Als Geschäftsführer Helmut Sander vor Jahren bei der Kulturbehörde vorsichtig nachfragte, ob man die Stücke nicht zum Nutzen des Hauses zu Geld machen könnte, wurde er sofort abschlägig beschieden. Und auch im Kollegenkreis, bei einer Sitzung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, kam diese Idee nicht gut an. "Das ist ein absolutes Tabuthema", erinnert sich Sander.

Hubertus Gaßner, Direktor der Hamburger Kunsthalle, hält Verkäufe aus Museumsbesitz in Hamburg schon aus rechtlichen Gründen für nahezu ausgeschlossen: "Die Kunstwerke gehören ja nicht den Museen, sondern sind entweder Dauerleihgaben von Stiftungen oder Sammlern oder befinden sich im Besitz der Stadt", sagt Gaßner, der sich ohnehin nur dann einen Verkauf vorstellen kann, wenn ein Werk, das nicht in das Sammlungsprofil passt, durch eines ersetzt würde, das eine Lücke schließt.

Für Finanzpolitiker mag hingegen der Gedanke durchaus Charme haben, dass sich die Kunsthalle beispielsweise von Edouard Manets "Nana" trennt, um mit dem zweistelligen Millionenbetrag, der damit bei einer internationalen Auktion sicher zu erzielen wäre, das Defizit des Museums zu schließen.

Für einen solchen Verkauf bedürfte es allerdings zuvor eines Votums der Bürgerschaft, die sich freilich kaum mehrheitlich dafür entscheiden würde.

Auch Kultursenatorin Karin von Welck, selbst eine erfahrene Museumsfrau, hält nichts von derartigen Verkäufen. Gegenüber dem Abendblatt sagte sie: "Die grundsätzliche Aufgabe von Museen ist es, Sammlungen zu erhalten, zu erforschen und ihre Bedeutung der Öffentlichkeit zu vermitteln. Daher sind Sammlungsgegenstände ganz bewusst dem Wirtschaftskreislauf entzogen worden, weil sie als Teil unserer Geschichte, als unser Erbe, an folgende Generationen weitergereicht werden sollen." Sie fügte allerdings relativierend hinzu: "Wenn Objekte verkauft werden, dann überhaupt nur unter striktesten Auflagen."