Mythos Sissi: Das Fernsehen setzt zu Weihnachten wieder auf Romy Schneider. Vor 50 Jahren kam “Sissi“ zum ersten Mal ins Kino. Romy Schneider wurde mit dieser Rolle weltberühmt.

Hamburg. Sie war die größte deutschsprachige Schauspielerin der Neuzeit und ist bis heute ein Phänomen geblieben - auch für ihre Kollegen: Romy Schneider. So wie in Amerika jeder rebellische Jungstar als "neuer James Dean" gehandelt wird, so ist man im deutschsprachigen Raum bei Schauspielerinnen, die mädchenhaften Charme mit damenhaft-sinnlichem Flair verbinden, schnell mit dem Markenzeichen "Romy Schneider" bei der Hand: von Marie Bäumer bis Ann-Kathrin Kramer, von Sophie von Kessel bis Bettina Zimmermann. Letztlich zumindest ein Zeichen dafür, daß Romy Schneider auch 23 Jahre nach ihrem Tod unvergessen ist.

Eine wirkliche Nachfolgerin hat es nie gegeben. Zu einzigartig verlief die Karriere der als Rosemarie Albach-Retty geborenen Schauspielerin. Zwar setzte Romy Schneider als Enkelin der legendären Burgschauspielerin Rosa Retty (die erst 1980 im Alter von 106 Jahren verstarb) und Tochter des österreichischen Filmliebhabers Wolf Albach-Retty und des Ufa-Stars Magda Schneider die Familientradition fort. Geradlinig war ihre Laufbahn dennoch nicht.

Zum Superstar war sie, gerade 17jährig, durch ihren bereits sechsten Film aufgestiegen: Als "Sissi" 1955 in die Kinos kam, wurden Stars noch von der großen Leinwand gemacht, die jährlich in Deutschland 800 Millionen Zuschauer anlockte. Allein knapp 20 Millionen sahen hierzulande in der Erstaufführung die drei Filme über die bayerische Prinzessin, die zur österreichischen Kaiserin wurde. In einer Zeit, in der das amerikanische Kino mit Brando und Dean die Rebellion großschrieb, sollte "Sissi" für "Ruhe und Frieden in der Familie" sorgen.

Romy Schneider überzeugte mit Charme, Charisma und Talent. Und sie bewies Charakter: Welche Jungschauspielerin würde heute eine Gage in Millionenhöhe ausschlagen, die ihr für die Fortsetzung eines Erfolges angeboten wird? Als ihr die Million für einen vierten "Sissi"-Teil Ende der 50er Jahre angeboten wurde (selbst ein Curd Jürgens bekam damals nur ein Viertel dieser Summe, ein Lex Barker rund 100 000 Mark), lehnte Romy Schneider ab. Nun rebellierte auch sie - gegen künstlerische Festlegung und Einschränkung. Obwohl sie damit ins kalte Wasser sprang, denn entsprechende finanzielle Angebote für andere Stoffe gab es nicht.

Daß die Wienerin mit deutschem Paß ihre Karriere Anfang der 60er nahtlos mit Riesenanerkennung in Frankreich fortsetzte (wo "Sissi" auch ein Kassenschlager war), gehört ins Reich der Legende. Zwar hatte sie im Thetre de Paris in einer Visconti-Inszenierung an der Seite von Alain Delon ("Schade, daß sie eine Dirne ist", 1961) einen Achtungserfolg, zwar spielte sie in diesem Jahrzehnt selbst in US-Produktionen wie "Die Sieger" (1962), "Der Kardinal" (1963) und "Leih mir deinen Mann" (1964), doch zu "der Schneider" wurde Romy erst in den 70ern: "40 Jahre nach Greta und Marlene, 15 Jahre nach Marilyn hat die Leinwand mit Romy wieder einen großen Star", titelte "Paris Match".

Die deutsche Pressekampagne, die ihre Übersiedlung nach Paris zehn Jahre zuvor begleitet hatte, wäre heute undenkbar. Zu ihrer Popularität hat aber auch diese beigetragen, obwohl Romy wie eine Landesverräterin behandelt wurde, die sich von dem "gallischen Gockel" Alain Delon hatte verführen lassen. So sehr sie schließlich zum Abbau alter deutsch-französischer Vorurteile beigetragen hat, so blieb sie Grenzgängerin zwischen zwei Kulturen, was sogar ihre Ehen widerspiegelten, einmal "deutsch" mit Harry Meyen, einmal "französisch" mit Daniel Biasini.

Das große Glück fand sie in keiner von beiden, aus jeder ihrer Ehen ging jedoch ein Kind für die "närrische Mutter" (Romy Schneider selbst) hervor: David und Sarah.

Ihre Karriere jenseits der Grenze, die Romy in Filmen von Claude Sautet (u. a. "Das Mädchen und der Kommissar"), Claude Chabrol ("Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen"), Costa-Gavras ("Die Liebe einer Frau") und an der Seite von Piccoli, Trintignant und Montand zu der Aktrice des französischen Films machte, wäre indes auch der begabtesten Nachfolgerin kaum mehr möglich - besonders was die (später durchaus positive) Resonanz in Deutschland betrifft.

So sehr sie vor den ungeliebten Journalisten floh, so sehr ließ sie im Film zu, daß ihr "die Haut bei lebendigem Leib abgezogen" wurde, wie ihr Filmpartner Michel Piccoli es beschrieb. Nie scheute sie Risiken oder scheinbare Tabuverletzungen, bedingungslos in ihren Gefühlsäußerungen spielte sie die außergewöhnlichsten Frauenrollen. "Das Nicht-Leichte wird für mich immer reizvoll sein", betonte sie einmal. Ein Anspruch, der ihre Kräfte aufzehrte. Nervosität und Schlaflosigkeit, die sie mit Alkohol und Tranquilizern zu bekämpfen suchte, gehörten zu ihrem Alltag.

Nach 58 Filmen und einem Jahr voller körperlicher (eine Niere war entfernt worden) und seelischer Schmerzen (der Unfalltod ihres 14jährigen Sohnes David) starb Romy Schneider am 29. Mai 1982 mit nur 43 Jahren an Herzversagen. Eine Frau, die stets mehr war als "Sissi", die aber auch in dieser Rolle einzigartig bleibt. Unvergessen und unerreicht. (T&T)