Kinopremiere: “Inside Deep Throat“. Ein neuer Film dokumentiert, warum der Porno 1972 Amerika bewegt hat. Und was danach geschah.

Hamburg. Es war eine ziemlich gute Investition: 25 000 Dollar steckten die Produzenten 1972 in einen kleinen Film, der aber unglaubliche 600 Millionen Dollar einspielen sollte und damit zu einem der erfolgreichsten Filme überhaupt wurde. Trotzdem taucht er in fast keiner Bestenliste auf. Das mag am Genre liegen, denn "Deep Throat" ist ein Pornofilm. Die Regisseure Fenton Bailey und Randy Barbato haben sich auf die Spuren dieses kuriosen Kunstwerks begeben und dabei in "Inside Deep Throat" erstaunliche Hintergründe sowie ein Sittengemälde der USA in den 70er Jahren zu Tage gefördert.

Der Inhalt von "Deep Throat" ist übersichtlich: Eine Frau, deren Klitoris sich angeblich in ihrem Rachen befindet, probiert an verschiedenen männlichen Partnern orale Sextechniken aus. Mehr passiert eigentlich nicht.

Fenton und Barbato gehen dem Schicksal der Filmemacher nach. Die Hauptrolle spielte Linda Lovelace, die durch ihren Körpereinsatz berühmt wurde. Aber nicht glücklich, denn sie behauptete, sie sei von ihrem gewalttätigen Ehemann Chuck Taynor mit vorgehaltener Pistole zu den Aufnahmen gezwungen worden. Später avancierte sie zu einer Aktivistin gegen die Pornofilmindustrie, bevor sie 2002 bei einem Autounfall starb.

Ihr männlicher Sparringspartner war Harry Reems. Ursprünglich als zweiter Kameramann angeworben, übernahm er dann doch eine überwiegend stehende Rolle vor der Kamera und wurde anschließend wegen der Verbreitung von Obszönitäten vor Gericht angeklagt. Bürgerrechtler und prominente "Kollegen" wie Warren Beatty und Jack Nicholson setzten sich für ihn ein. Die Anklage wurde niedergeschlagen.

Der alberne und aus heutiger Sicht manchmal auch lustige "Deep Throat" wurde in nur sechs Tagen gedreht und war mit Mafiageld finanziert. Genaue Zahlen über die Einspielergebnisse gibt es nicht, weil das organisierte Verbrechen dafür sorgte, daß die Gelder sofort an der Kinokasse abgeholt und die Kinobesitzer entsprechend eingeschüchtert wurden. Regisseur Gerard Damiano, der durchaus künstlerische Ambitionen hegte, wurde ebenfalls von der Mafia ausgebremst.

Der Erfolg von "Deep Throat" läßt sich nicht ohne das liberale Klima erklären, das Anfang der 70er Jahre noch in den USA herrschte. Kurz nach dem Woodstock-Festival boomte die sexuelle Befreiung auch in den Kinos, man sprach von einem regelrechten "Porn-Chic". Viele Paare sahen sich den Film gemeinsam an. Der Film war Tagesgespräch, über dessen Erfolg in Talkshows gewitzelt wurde. Bob Hope sagte, er habe ihn sich irrtümlich angesehen, weil er dachte, es sei ein Tierfilm, der von Giraffen handele. "Deep Throat" wurde aber auch ernsthaft diskutiert, weil er zuvor Unaussprechliches thematisierte und die Menschen dazu brachte, miteinander über ihre sexuellen Vorlieben und Abneigungen zu sprechen.

Bailey und Barbato haben diese Hintergründe unterhaltsam, anschaulich und unverklemmt aufgearbeitet. Sie haben Prominente und Unbekannte über ihre Erfahrungen mit dem Film befragt. Dabei gehen die Regisseure mit den USA, dem Land mit der weltweit größten Pornofilmproduktion, im Interview hart ins Gericht. "Emotional gesehen sind die USA sehr ignorant", klagt Bailey. "Das Verständnis von Sex als ein integraler und auch spiritueller Teil des Lebens ist völlig abwesend, und es ist dort fast verboten, darüber zu reden."

Daß die Zeiten sich geändert haben, sieht man nicht nur daran, daß man sich heute in den USA darüber aufregt, wenn eine Sängerin für wenige Sekunden in einer TV-Sendung eine Brust entblößt wie vor kurzem Janet Jackson, die so die "Nipplegate"-Affäre auslöste. 1972 berichteten Nachrichtensendungen, "Variety" und die "New York Times" über "Deep Throat". Genau diese Zeitung wollte 2004 das Filmplakat zu "Inside Deep Throat" nicht drucken. Die darauf abgebildeten leicht geöffneten Lippen waren den Zeitungsmachern nach Baileys Angaben "zu obszön".