Staatsoper: Die Sopranistin Gabriele Schnaut hat 25. Bühnenjubiläum in Hamburg. Sie blickt zurück, nicht ganz ohne Zorn.

Hamburg. "Lyrischer Mezzo mit Partien des dramatischen Fachs nach Anspruch und Eignung" - die Arbeitsplatzbeschreibung aus dem Vertrag, mit dem sich Gabriele Schnaut 1980 in Mannheim engagieren ließ, ist längst ein paar Nummern zu klein. Aus dem Mezzosopran, der als Alt begann, ist eine der weltweit begehrten hochdramatischen Sopranistinnen geworden, abonniert vor allem auf die großen Wagner- und Strauss-Partien. Zum 25. Hamburger Bühnenjubiläum singt Schnaut die Färberin in der konzertanten, aber immerhin halbszenischen Aufführung von Strauss' "Frau ohne Schatten", die heute Premiere hat. Ein passender Anlaß für einen Blick zurück. Nicht immer so ganz ohne Zorn.

ABENDBLATT: Ist konzertant für jemanden wie Sie nicht wie "angeleint"?

GABRIELE SCHNAUT: Das kann man so nicht sagen. Vor kurzem habe ich die "Götterdämmerung" konzertant in Dortmund gesungen - das hat auch einen großen Reiz. Wir sind schließlich alle in unseren Partien langjährig erprobte Sänger, und die psychologischen Grundmuster bleiben ja vorhanden. Wenn man das in einem sehr stilisierten, also: konzertanten Rahmen bringt, lenkt nichts davon ab. Das Publikum sieht die Szenen in Andeutungen, und die Phantasie kann das weiterentwickeln . . .

ABENDBLATT: Und man ist nicht abgelenkt durch, wie manche ja gern beklagen, das garstige Regietheater . . .

SCHNAUT: Was heißt das schon - entweder es wird gut oder schlecht Regie geführt. Den Begriff mag ich nicht, und ich darf das wohl sagen, schließlich hab' ich da alles mitgemacht, weil er das Gleichgewicht zwischen Musik und Szene nicht beachtet. Denken Sie an den "Tristan" von Ruth Berghaus, den ich hier damals mit Christian Thielemann als Dirigent gemacht habe. Diese analytische Deutung brauchte einfach das emotionale Gegengewicht durch die Musik aus dem Orchestergraben.

ABENDBLATT: Wenn Sie auf die 25 Jahre Bindung zur Hamburgischen Staatsoper zurückblicken, welche persönliche Hitliste kommt dabei zusammen?

SCHNAUT: Ganz oben steht der "Ring" mit Günter Krämer, und für mich ist es ein Trauerspiel, daß man den so früh eingemottet hat. Ich hab' oft mit Kollegen gesprochen, die damals dabei waren - wir sind ja weltweit immer wieder dieselben Sänger in der Wagner-Clique - und alle sind meiner Meinung. Das kann man sich, auch angesichts der finanziellen Lage der Theater, eigentlich gar nicht leisten, so einen "Ring" nach kurzer Zeit wegzuwerfen. Außerdem natürlich Schrekers "Schatzgräber", auch mit Krämer und Gerd Albrecht. Und der Berghaus-"Tristan".

ABENDBLATT: Simone Young, demnächst Opern-Chefin, ist als sehr "Ring"-affin bekannt und hat schon starkes Interesse an einer neuen Version angemeldet.

SCHNAUT: Ich habe mit Frau Young gesprochen, die ich kenne, aber mit der ich noch nicht zusammengearbeitet habe. Es wird hier weitergehen, ich habe einen Vertrag für eine Neuproduktion unterschrieben. Es ist aber nicht der "Ring" . . . Die Isolde und Brünnhilde singe ich schon so lange, ich habe so viele, so unterschiedliche Versionen mitgemacht, nun soll auch mal eine andere Generation ran. Die Herausforderungen liegen für mich jetzt eher woanders, ich erweitere mein Fach in Richtung Charakterfach. Es ist für mich auch wichtig, authentisch zu sein und meine jetzige Identität in eine Rolle einzubringen.

ABENDBLATT: Früher war ja bekanntlich alles besser - insbesondere die Wagner- und Strauss-Sängerinnen und -Sänger. Wahrheit oder Gerücht?

SCHNAUT: Diese These kann ich nicht bestätigen. Es ist allerdings eine Tatsache, daß die Karrieren immer kürzer werden. Mir kommt es aber so vor, als ob man die Vermarktung mancher Sänger immer mehr an die Pop-Branche angleichen möchte. Doch das funktioniert nicht - wir singen ohne Mikrofon. Unsere Stimmen müssen gepflegt, trainiert werden. Sie müssen reifen, das braucht nun mal seine Zeit.

ABENDBLATT: Wenn man eine gewisse Zeit auf Ihrem Niveau in Ihrem Metier tätig ist, hat man dann nicht immer weniger Lust, sich von Regisseuren etwas vorschreiben zu lassen?

SCHNAUT: Es wird in der Tat immer schwieriger, da kann ich auch sehr bockbeinig sein, auf hessisch gesagt. Ohne arrogant wirken zu wollen: Es dünnt sich ein bißchen aus, von wem man noch lernen kann. Aber mir kann, glaube ich, niemand vorwerfen, daß ich nicht professionell bin. Wenn mich etwas überzeugt, kann ich auch arbeiten bis zum Abwinken und lasse mich auf die extremsten Sachen ein.

ABENDBLATT: Im Vergleich mit anderen Opernhäusern betrachtet, welchen Rang nimmt die hiesige Staatsoper ein?

SCHNAUT: Hamburg ist sehr wichtig und sehr aufgefallen durch die Konwitschny-Produktionen. Das Haus hat schon einen sehr guten Ruf, gerade in bezug auf die ungewöhnliche Deutung von Repertoire-Stücken.

ABENDBLATT: Sie haben sowohl Bayreuth als auch Thielemann erwähnt, der dort ja eine wichtige Rolle spielen soll. Ihr Abschied vom Grünen Hügel vor einigen Jahren war weder freiwillig noch friedlich. Denken Sie wegen Thielemann dort mittlerweile wieder an eine Rückkehr?

SCHNAUT: Bayreuth ist für mich abgehakt. Ich kann mir höchstens vorstellen, daß ich einspringen würde, falls Christian mich bittet, für eine erkrankte Brünnhilde einzuspringen.

ABENDBLATT: Riesenpartien zu stemmen ist eine Sache - Liederabende, die Kunst der Gestaltung auf kleinem Raum, eine andere.

SCHNAUT: Liederabende habe ich schon seit längerem nicht mehr gegeben - weil ich keine Zeit dafür habe. Man muß sich genau darauf vorbereiten. Bei einem Lied-Meisterkursus in Köln antwortete mir ein junger Sänger, dem ich sagte, "Singen Sie mal mit vollem Ton": "Das mach' ich, wenn ich Oper singe." Ich hab' ihm nur entgegnet: "Wenn eine Anne-Sophie Mutter an einem Tag das Tschaikowsky-Konzert spielt und am nächsten eine Schubert-Sonate - die sägt ihre Geige deswegen doch nicht durch. Man verändert für Lieder nicht sein Instrument, nur die Stilistik und den Rahmen.

Premiere:{/} 18. 1., 19 Uhr, Hamburgische Staatsoper, weitere Termine: 21./29. 1., 6./9. 2., jew. 19 Uhr; die Februar-Vorstellungen dirigiert Simone Young zugunsten der Flutopfer in Asien (die Dirigentin und die Künstler spenden ihre Gagen); Karten zu 5 bis 110 (Premiere) bzw. 4 bis 77 Euro unter Tel. 35 68 68.