Der Berliner Skandal-Rapper Bushido stand mal wieder vor Gericht – die französische Gothic-Metalband Dark Sanctuary wirft ihm Urheberrechtsverletzungen bei 16 Liedern vor. Gesamtstreitwert: 100.000 Euro. Ein Urteil wird im März erwartet.

Hamburg. Metal oder Hip-Hop? Diese Frage zieht schon lange eine scharfe Trennlinie auf dem Schulhof. Um so mehr Öl ins Feuer dürfte der Rechtsstreit zwischen Deutschlands derzeit populärstem Rapper Bushido und der französischen Gothic-Gruppe Dark Sanctuary gießen. 16 Songs auf 11 Bushido-Tonträgern, darunter acht vom Album "Von der Skyline zum Bordstein zurück" (2006, Platz 14 in den deutschen Charts), sollen in weiten Teilen übernommen und mit neuem Text unterlegt worden sein. Auch von den norwegischen Metallern Dimmu Borgir und den Amerikanern Nox Arcana gab es ähnliche Vorwürfe mit Schadensersatzforderungen. Am Donnerstag trafen sich die Anwälte von Bushido und Dark Sanctuary vor dem Hamburger Landgericht. Eine gütliche Einigung scheiterte vorerst, ein Urteil wird am 13. März erwartet.

Dabei ist das Nachspielen von Songs anderer Interpreten so alt wie die Popmusik. Die Rock’n’Roller der 50er und 60er oder die Soul-Stars des Motown-Labels spielten fröhlich ihre Lieblingssongs anderer Bands und Komponisten. Elvis Presley und Bill Haley machten so "schwarze" Songs bei den "weißen" Hörern populär. Ein großer Teil der frühen Beatles-Songs wie "Roll Over Beethoven" (Chuck Berry), "Twist And Shout" (Top Notes) oder "Please Mr. Postman" (The Marvelettes) waren Coverversionen, der Beatles-Klassiker "Yesterday" hingegen wurde in über 3000 Neuinterpretationen veröffentlicht. Jimi Hendrix und seine Version von "All Along The Watchtower" wurde so erfolgreich, dass die wenigsten bei diesem Klassiker noch an Bob Dylan denken.

Solange artig die Originalinterpreten oder Komponisten angegeben werden, gibt es mit Coverversionen auch selten Probleme, vor allem, wenn vorab eine Genehmigung eingeholt wird und ein Teil des Umsatzes an den Urheber abgeführt wird. So kommen dann auch so wirklich bizarre Coverversionen ans Licht der Welt wie 1971 "Der Hund von Baskerville" vom Schlagerduo Cindy & Bert. Das Original "Paranoid" war von den Düsterrock-Pionieren Black Sabbath. Wird aber ein Song als eigenständiges Werk verkauft, obwohl er komplett oder in Teilen aus fremder Feder stammt, gibt es Plagiatsklagen. George Harrisons Solo-Hit "My Sweet Lord" erwies sich 1970 als Plagiat von "He’s So Fine" von The Chiffons aus dem Jahr 1963. Nach jahrelangen Prozessen musste Harrison in einem Vergleich 1,5 Millionen Dollar Schadensersatz bezahlen.

Vor allem im HipHop gilt die Pop-Geschichte als großer Selbstbedienungsladen. Der "Sample", ein kurzer wiederholter Ausschnitt oder Beat aus einem fremden Song, mit dem schon Pink Floyd in den 70ern experimentierte ("Money"), ist seit den frühen 80er-Jahren eines der wichtigsten Stilelemente des Genres und wurde erst 1991 vor einem New Yorker Gericht in Copyright-Richtlinien aufgenommen. Seitdem muss in den USA ein Sample im Gegensatz zu einer eigens eingespielten Coverversion mit allen am Original Beteiligten abgegolten werden: Urheber (Komponist/Texter), Interpret und Plattenfirma. Danach wurde "Sample Clearing", das Neueinspielen von Ausschnitten fremder Songs oder das komplette Covern nur mit neuem Text zum Maß der HipHop-Dinge. Sean Combs alias Puff Daddy alias P. Diddy feierte so große Erfolge mit "I'll Be Missing You" ("Every Breath You Take" von The Police) oder "Come With Me” ("Kashmir” von Led Zeppelin).

In Deutschland ist das Sampling rechtlich noch nicht abschließend geklärt. In einem Rechtsstreit zwischen Sabrina Setlurs Produzent Moses Pelham und Kraftwerk um von Pelham unerlaubt benutzte Kraftwerk-Samples entschied der Bundesgerichthof 2008, dass Sampling zulässig sei, wenn sich gesampletes Ursprungswerk und neues Werk stark genug unterscheiden. Es sei denn, der Produzent hätte die Möglichkeiten, die Ausschnitte selber neu einzuspielen oder der Sample beinhalte eine komplette Melodie-Tonfolge. Auf jeden Fall seien auch kleinste Ausschnitte urheberrechtlich geschützt und damit gebührenpflichtig, die Verwendung eines Samples könne aber nicht vom jeweiligen Urheber verhindert werden. Zur genauen rechtlichen Umsetzung seiner Vorgabe gab der BGH den Fall an das Hamburger Oberlandesgericht zurück. Ein Urteil wird wie auch im Fall Bushido im März erwartet.

Ob sich Bushido und Dark Sanctuary bis dahin auf eine gütliche Einigung im Streitfall von geschätzten 100.000 Euro verständigen können, bleibt abzuwarten. Bushidos aktuelles Album stürmte im vergangenen Jahr auf Platz Eins der deutschen Charts und dürfte damit genügend Kapital für einen Vergleich abwerfen. Vielleicht heißt das Album deshalb auch "Heavy Metal Payback".