Für ihn sind das keine Gegensätze: Blödeleien à la Mike Krüger und das Schreiben von Songs, die vor Leidenschaft brennen. Eine einzige Schublade wäre Olli Schulz zu klein.

Hamburg. Olli Schulz kommt zu spät. Er entschuldigt sich, legt den Parka ab, fährt sich durchs bettfrisierte Haar, haspelt ein wenig rum. "Verschlafen." Macht nichts. Im Saal 2 auf dem Schulterblatt, den er als Treffpunkt vorgeschlagen hat, lässt es sich kurz nach dem Öffnen um elf auch gut alleine verweilen. Die Schanze erwacht, erstes Szenevolk schlurft am Panoramafenster vorbei, die Espressomaschine krächzt, die Musik ist gut. Darum geht es.

"Wenn die Musik nicht so laut wär', wär' sie auch nur halb so schön", verkündete der Sänger und Gitarrist 2006, auf seinem dritten Album "Warten auf den Bumerang". Nun legt der Mittdreißiger seine vierte Pop-Platte vor: "Es brennt so schön" - eingespielt in Hamburg unter anderem mit befreundeten Musikern wie Gisbert zu Knyphausen, Lee Buddah und Bernd Begemann. Und dieses titelgebende Brennen ist trotz Schulz' schlonziger Attitüde hörbar, klingt mitunter gar pathetisch und schlageresk. "Wir sind nicht mehr so jung, doch unsere Herzen sind am Glühen" - solche schlichten Zeilen aus der Liebeshymne "Ewig leben" könnten auch von Roland Kaiser stammen.

Man muss sich Olli Schulz als einen Typen vorstellen, der - wie einst Udo Lindenberg - immer ein wenig unterschätzt wird als Künstler. Weil er nicht bedeutungsschwanger auftritt. Weil ihm live die Blödeleien eines Mike Krügers näher zu sein scheinen als die ernste Geste von Musikerkollegen wie Blumfelds Jochen Distelmeyer. Und doch ist Schulz vor allem dies: ein toller Songschreiber. Vielleicht gerade, weil er seine Dichtkunst nicht stilisiert, sondern ein entspanntes Verhältnis zu ihr pflegt: "Das sind ja einfach nur so drei Akkorde, ein kleiner Text, ein Refrain. Das wiederholt sich dann noch mal. Das ist mein einziges Talent: ein Lied schreiben."

Zwar wollte er, "dass die Platte nicht so textbezogen ist", sondern dass der Rock nach vorne drängt. Doch auch auf seinem aktuellen Werk kann er es nicht lassen, Geschichten aus dem Alltag in griffigen Slogans zusammenzukochen. "Du bist so lange einsam, bis du lernst, allein zu sein" ist so ein Satz. Oder: "Wo die Guten nur bluten, weil die Schlechten sie knechten" aus dem Song "Ab jetzt tut's nur noch weh", der das Album mit stoischem Piano-Spiel eröffnet. Die erste Vers-Hälfte entdeckte der Hamburger an einer Häuserwand in seiner Wahlheimat Berlin. Ein Graffiti-Spruch, ein Gedanke. "Geiler Reim, kann man mal bringen", sagt Schulz, der Straßenschnacker, feixt und freut sich noch jetzt, wo das Lied längst konserviert ist, über seine Idee.

Gerne lockert dieser professionelle Hänger-Typ seine Live-Auftritte mit pointenreichen Anekdoten aus seiner Roadie-Zeit auf, als er für Bands Instrumente und Bühnengerät schleppte. Tour-Erlebnisse, die er in dem Buch "Horseworld - Rock 'n' Roll verzeiht dir nichts" niedergeschrieben hat. Und auch sein aktueller Hit "Mach den Bibo", mit dem er bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest für Hamburg einen amtlichen fünften Platz belegte, sorgt nicht unbedingt dafür, den Spaßvogel-Stempel verblassen zu lassen.

Schulz hofft denn auch, dass der Bibo-Song, ein Jux im schmissigen Beach-Boys-Sound, ein richtiger Ballermann-Hit wird. "Was ist denn mehr Punk, als die Nation mit einem wahnsinnigen Ohrwurm zu nerven?" Schulz versteht sich eben auch als Entertainer. "Ich hab schon immer Lust gehabt, Leute zu unterhalten, schon als Kind. Aber das heißt nicht, dass ich nur witzige Lieder machen muss." Die Clown-Schublade, das sei sein großes Dilemma.

Denn Schulz kann auch anders, ist in seinen Liedern nicht nur der Grobi unter den Gesellschaftskritikern, sondern auch das Ufo im Beziehungsuniversum, durchaus ernst, empathisch. "Jeder hat ja so multiple Persönlichkeiten und Gefühle in sich."

Kritiker mögen ihm das als Stillosigkeit auslegen, Schulz nennt es "flexible Kreativität". Eine enorme Bandbreite zwischen Melancholie und Albernheit, die ihn jetzt auch ins Gespräch brachte als Nachfolger für Moderatorin Ina Müller beim NDR-Fernsehen. Beispiele, die zeigen: Herr Schulz ist alles andere als verschlafen.