Deutschlands dienstältester Kabarettist kritisiert im Abendblatt erstmals seinen Nachfolger Mathias Richling und erläutert, warum ihm das neue Sendekonzept missfällt.

Hamburg. Er liest. An gut 150 Abenden pro Jahr ist Dieter Hildebrandt unterwegs. Weil Deutschlands dienstältester Kabarettist ("Ich empfinde keinen Dienst") trotz derzeitiger leichter Bronchitis noch immer etwas zu sagen hat, geraten seine Auftritte mitunter zu aktuellen Abenden. Wie im brillanten ersten Teil zum Auftakt des Kabarett-Fests bei Alma Hoppe, angekündigt als Lesung aus "Nie wieder achtzig". Das Lustspielhaus war lange ausverkauft, bevor es hieß, Hildebrandt wolle den Titel "Scheibenwischer" für das einstige Satire-Flaggschiff verbieten lassen.

"Ich habe nur meinen Titel zurückerbeten", stellt der seit 1955 aktive Satiriker im Abendblatt-Gespräch klar. Er hatte erfahren, die von ihm initiierte ARD-Reihe solle vom 19. März an "jünger, frischer, aktueller und schneller" werden und sich der Comedy öffnen. Ist der 81-Jährige etwa ein Dogmatiker, der die längst aufgeweichte Grenze zwischen K und C wieder ziehen will? "Ich möchte nicht, dass mir der Spaß vorgetäuscht wird, als hätte er einen politischen Inhalt. Ich möchte vorher wissen: Es ist Unterhaltung. Das andere hat mit Haltung zu tun", erläutert Hildebrandt - und betont, er habe nie gegen Comedians gearbeitet, finde manche sogar "hervorragend". Hape Kerkeling oder Bastian Pastewka seien "großartige Künstler". Indes hatte Hildebrandt bereits selbst auf Comedy-Elemente gesetzt. "Dazu zählte auch Mathias Richling. Er war immer der Lustigste von allen, er ist ein grandioser Parodist. Nur traute ich ihm nicht zu, eine politische Kabarettreihe zu führen", kritisiert Hildebrandt erstmals seinen Nachfolger. Schwerwiegender: Er traut es Richling "jetzt noch weniger zu". Anders als Urban Priol und Georg Schramm. Die hatte Hildebrandt, dessen "Notizen aus der Provinz" 1979 im ZDF abgesetzt wurden, beim Start ihrer Reihe "Neues aus der Anstalt" 2007 besucht. Beide luden danach indes Comedians wie Piet Klocke oder Michael Mittermeier ein.

Keine Vermischung? "Mittermeier ist ein wunderbarer Kabarettist, der in der Lage ist, einem politischen Kabarett folgen zu können beziehungsweise es zu bereichern", meint Hildebrandt. "Man muss ihn nur dazu bringen, dass er's macht. Das traue ich dem Richling einfach nicht zu."

Er und seine Mitstreiter hätten nie nur ernsthaftes und belehrendes Kabarett machen wollen, sagt der Mitbegründer der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. "Ich habe immer eine Lust am Kalauer gehabt. Aber ich möchte nicht, dass sich Kabarett im Fernsehen nur mit Nebenthemen beschäftigt, ich möchte, dass Hauptthemen drin sind."

Zurzeit ist das für Hildebrandt "die Tatsache, dass wir uns in einer Krise bewegen und der Mensch der Verlierer ist". Eine Sendezeit zu haben, in der das nicht besprochen wird, sei "ein Skandal". "Ich möchte, dass unter diesem Titel 'Scheibenwischer' diese Ausweichproblematik nicht stattfindet mit der Ausrede, man müsste die Quote bedienen." Der neue ARD-Titel "Satire-Gipfel" habe ihn bestärkt - kein Witz erkennbar.

Und auch keine Nachfolger in Sicht? Es gebe im politischen Kabarett "sehr gute Protagonisten", vermeidet Hildebrandt eine Festlegung auf (junge) Namen. "Aber können Sie sich einen Nachfolger für Gerhard Polt vorstellen?", fragt er. "Es gibt auch keinen für Mathias Richling. Damit sollte er sich zufriedengeben ..."