15 Jahre lang bekam er kein Filmangebot, hatte seine Schauspielkarriere fürs Boxen weggeworfen und sich zuletzt als Türsteher über Wasser gehalten.

15 Jahre lang bekam er kein Filmangebot, hatte seine Schauspielkarriere fürs Boxen weggeworfen und sich zuletzt als Türsteher über Wasser gehalten. Nun kommt Mickey Rourke (57) spektakulär zurück. In Darren Aronofskys "The Wrestler" spielt er einen alternden Showkämpfer, der nach dem Leben im Ring süchtig ist. Seine herausragende Leistung brachte dem Drama in Venedig den Goldenen Löwen ein. Und diesen Sonntag vielleicht einen Oscar.


Hamburger Abendblatt:

Mickey, mit "The Wrestler" zeigen Sie, wie viel Talent in Ihnen steckt. Wie fühlen Sie sich bei so viel Ruhm?

Mickey Rourke:

Ich bin sehr glücklich! Und sehr dankbar, dass mir eine zweite Chance gegeben wurde. Das schulde ich Darren Aronofsky, dem Regisseur. Der wollte "The Wrestler" unbedingt mit mir machen.



Abendblatt:

Der Zweite, der an Sie glaubte, war Ihr Freund Bruce Springsteen. Er hat extra für Sie einen Song geschrieben ...

Rourke:

Ich habe in meiner "zornigen Phase", wie ich es nenne, 13 Jahre nicht mit Bruce gesprochen. Dann sind wir uns vor zwei Jahren zufällig begegnet und haben uns wieder öfter getroffen, auf Konzerten oder zum Essen. Ich dachte, ein Song von Bruce für "The Wrestler" wäre cool - aber das konnten wir uns mit unserem Low-Budget-Film nicht leisten. Daher schrieb ich ihm einen langen und persönlichen Brief.



Abendblatt:

Darf man fragen, was Sie schrieben?

Rourke:

Dass ich eine zweite Chance bekommen hätte. Dass meine Vergangenheit sehr destruktiv war. Ich dachte immer, mit mir sei alles okay, ich sei nur ein zorniger Mensch. Dann merkte ich: Nichts war in Ordnung. Ich brauchte 15 Jahre, um mit mir ins Reine zu kommen.



Abendblatt:

Was war der Grund für Ihre destruktive Art?

Rourke:

Ich habe mich als Kind für etwas geschämt. Als Jugendlicher ist diese Scham in Wut übergegangen. Ich habe in jedem Menschen einen Feind gesehen. Du legst dir Muskeln zu, weil du denkst, wenn du ein Muskelberg bist, wirst du respektiert. Irgendwann war ich aber gezwungen, mich meinen Problemen zu stellen. Wenn man heute sagt, ich würde "ein Comeback erleben" - das hasse ich! "Comeback" ist viel zu einfach. Sie haben keine Ahnung, wo ich war und wie man sich dort fühlt.



Abendblatt:

Wo waren Sie?

Rourke:

Ganz unten. In der Gosse. Gelebt habe ich wie das dunkle Monster Marv in "Sin City". Vielleicht ist das Monster noch in mir, aber es schläft. Und ich möchte es nicht wecken.



Abendblatt:

Sie waren vor gut 20 Jahren ein Megastar. Dann gaben Sie die Schauspielerei auf, um Profiboxer zu werden. Warum?

Rourke:

Das Boxen war meine große Liebe und mein erster erlernter Beruf. Mit elf habe ich schon in Miami trainiert, in derselben Boxhalle wie Muhammad Ali. Mit 16, nach einer Gehirnerschütterung, habe ich aufgehört. Im Gym gab es einen Mann, der sich Stück für Stück selbst zerstört hat, so wollte ich nicht enden. Ich habe mich für diese Angst aber immer geschämt und hatte das Gefühl, gekniffen zu haben. Darum musste ich wieder in den Ring - um mich wieder wie ein Mann zu fühlen.



Abendblatt:

Was hat Sie Jahre später zur Einsicht gebracht?

Rourke:

Dass ich nichts mehr hatte. Meine Frau, mein Haus, meine Glaubwürdigkeit und meine Seele - alles war weg. Darum habe ich mich aus allem ausgeklinkt. Das Einzige, was ich mir noch erlaubte, war der Gang zum Seelenklempner, zum Fitnessstudio und manchmal auch zur Kirche.



Abendblatt:

Leben Sie wie ein Heiliger, oder feiern Sie auch mal?

Rourke:

Hey klar! Wir leben doch nur einmal!