Die kubanischen Behörden übergaben der Kennedy-Bibliothek in Boston die Kopien der Archivbestände aus Hemingways Finca.

Hamburg. 40 Jahre und schon weltberühmt war der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961), als er mit seiner dritten Ehefrau in eine Finca in dem südöstlich von Havanna gelegenen Ort San Francesco de Paula zog. Auch mit Mary Welsch, der vierten und letzten Ehefrau, verbrachte der Literaturnobelpreisträger von 1954 viel Zeit in dem auf einem weitläufigen Areal erbauten Landhaus, dessen mit Antilopenfellen und anderen Jagdtrophäen dekorierten Räume noch heute so aussehen, als könnte der Schriftsteller jeden Moment wieder zur Tür hereintreten. Besucher werden aus konservatorischen Gründen schon lange nicht mehr in das Haus eingelassen, das der kubanische Staat in ein Museum umgewandelt hat. Sie dürfen nur von außen durch die Fenster blicken.

Seit sechs Jahren jedoch gewähren Fidel Castros Behörden ausgerechnet einigen US-Amerikanern Einlass in die Finca, die auf Kuba den Rang eines Nationalheiligtums hat. Es sind Literaturwissenschaftler der Kennedy-Bibliothek in Boston, die gemeinsam mit ihren kubanischen Kollegen die Archivbestände digitalisieren, die 45 Jahre lang unangerührt in der Finca gelagert hatten. Jetzt ist dieses erstaunliche Gemeinschaftsprojekt abgeschlossen, zurzeit werden die Kopien in Kuba präsentiert, anschließend auch in Boston.

Dass dieses Projekt trotz der Verschärfung der Anti-Castro-Politik unter George W. Bush möglich wurde, ist vor allem der Initiative des demokratischen Kongressabgeordneten James McGovern zu danken. Der Politiker aus Massachusetts, ein erklärter Gegner der amerikanischen Kuba-Politik, unterhält gute Kontakte zum kubanischen Kulturministerium. "Hemingway kann Brücken zwischen unseren Ländern bauen", meint McGovern, der die Beziehungen an einem Wendepunkt sieht.

Inzwischen hat die kubanische Regierung offiziell die Kopien des Finca-Archivs an die John.-F.-Kennedy-Bibliothek übergeben, sodass sie jetzt für die Literaturwissenschaft zur Verfügung stehen. Es sind Fragmente, bislang unveröffentlichte Fotos, Tausende Briefe, darunter Korrespondenzen mit den Autoren Sinclair Lewis und John Dos Passos und der Schauspielerin Ingrid Bergman, eine verworfene Frühfassung des Romans "Wem die Stunde schlägt" sowie das Drehbuch zu "Der alte Mann und das Meer".

Von der Finca hatte Hemingway es nicht weit bis zur Fischerkneipe La Terraza im Küstenort Cojímar, den er zum Schauplatz dieser weltberühmten Geschichte gemacht hat. Schon seit Jahren gehören amerikanische Touristen zu den häufigsten Besuchern der legendären Kneipe. Die US-Behörden gestatten ihren Bürgern Kuba-Reisen zwar nur in Ausnahmefällen, doch wer sich dennoch nicht davon abhalten lassen will, auf Hemingways Spuren zu wandeln, reist einfach über Kanada oder Mexiko auf die Insel. Unter Präsident Obama, das hoffen viele amerikanische Hemingway-Fans, könnte dieses Versteckspiel bald überflüssig werden.