Castingstars auf Livebühnen kann man in der Regel vergessen. Ivy Quainoo war am Dienstag in der Großen Freiheit 36 allerdings eine Ausnahme.
Hamburg. Vor einem Jahr bewarb sich Ivy Quainoo spontan für die Castingshow "The Voice Of Germany". Von November bis Februar ging sie in der ProSieben- und Sat.1-Sendung durch die Knochenmühle pompös aufgemachter Fernsehunterhaltung. Nach ihrem Triumph folgte im März gleich das Album "Ivy" nebst Videodrehs und Promotion-Ochsentour. Und nun die erste Live-Tournee von Lüneburg bis Osnabrück mit dem Halt am Dienstag in der gut gefüllten Großen Freiheit 36. Ja, der Pop ist ein sehr schnelllebiges Geschäft. Ein Durchlauferhitzer der Gemüter.
Als die 19 Jahre junge Berlinerin nach einem Interview mit Sat.1 in der Beatlemania und dem Auftritt von Support Mic Donet ("The Voice"-Halbfinalist, kommt am 4. November ins Gruenspan) mit zitronengelbem Minikleid und noch strahlenderem Lächeln auf die Bühne tanzt, ist vom Stress der letzten Monate allerdings wenig zu spüren.
Schnell geht es durch die Songs des "Ivy"-Albums mit "You Got Me", "Shark In The Water" und "Do You Like What You See". Dem überraschend reifen Ü30-Publikum gefällt, was es sieht: Eine tatsächlich gute Live-Sängerin, eine zurückhaltend mitspielende Band (die sich Quainoo mit Mic Donet zu teilen scheint) und klassisch am Refrain ausgerichteten, leicht angerockten Radio-Pop Marke "Hella Good" von No Doubt.
+++ 19-jährige Ivy gewinnt das große Gruppenkuscheln +++
Ivy Quainoo genießt den Reichtum, sich dort präsentieren zu dürfen, wo ein Künstler heutzutage bestehen muss: auf der Bühne. Cool wie ein Star. Dabei liegen ihr im Sitzen vorgetragene Balladen wie "Richest Girl", Corinne Bailey Raes "Like A Star" oder "Dream A Little Dream" (bekannt durch The Mamas & The Papas) nicht so gut wie dynamischere Songs. Da fehlt dann doch Präsenz, Erfahrung und - jup - nicht aufgesetztes Drama. Aber lass die Leute träumen und mitsingen. Und klatschen wie im Studio von "The Voice Of Germany". Es ist ja nur - wie im Fernsehen - Unterhaltung, nur ohne Televoting.
"Hard To Handle" (The Black Crowes) ist an diesem Abend bis auf einige Längen jedenfalls wenig. Im Vergleich mit der Legion anderer Produkte der TV-Industrie, die oft nicht einmal auf Tournee geschickt werden, hat Quainoo Talent und Gespür für den Song - von wem auch immer er stammt, Produzentenwerk oder Coverversion. Der lange Applaus nach 90 Minuten und einem finalen "I Say A Little Prayer" ist daher verdient. Und sei der Applaus auch nur aus purer Erleichterung gespendet, weil hier mal eine Ausnahme von einer Regel zu erleben ist.