Die kleine Brautjungfer Grace van Cutsem stahl dem Brautpaar die Show - und avanciert zur Galionsfigur des Nicht-Einverstanden-Seins.

Es ist sehr gut vorstellbar, wie Grace Emilie Clare van Cutsem bei ihrer Einschulung das erste Mal die Klasse betritt und ihre Mitschüler ihr zur Begrüßung nicht fröhlich zuwinken, sondern sich die Ohren zuhalten. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass diese Geste sie ein Leben lang begleiten wird. Der erste Tag am College – Ohren zu. Betreten eines Pubs – Ohren zu. Einzug ins Altenheim – Ohren zu.

Denn ein Milliardenpublikum sah zu, wie die Dreijährige sich ihre Hände auf dem Balkon des Buckingham Palace seitlich gegen den Kopf stemmte, als ihr Patenonkel Prinz William seine Kate kurz küsste. Graces Gesicht, wie es da über der Brüstung hervorlugte, wird für die Menschheit auf ewig mit dieser misanthropischen Gebärde verbunden bleiben. Bis dass der Tod sie scheidet.

Wird dem Dickkopf die Traumhochzeit also zum Trauma? Zu hoffen ist das nicht. Denn dass Grace ihrem Namen keine Ehre machte, dass sie eben nicht liebreizend (und langweilig) dem monarchischen Vermählungsspektakel beiwohnte, macht sie zur Galionsfigur des Nicht-Einverstanden-Seins. Die griesgrämige Grace, die da unter störrischen Locken hervorstarrt, war die Einzige, die der professionellen Parade des höfischen Protokolls zuwider lief. Ihr strichgerader Mund wirkte wie eine Trutzburg gegen das Dauerlächeln. Ihr infantiler Trotz war der Sand im Getriebe des Hyperevents. Amazing Grace – sie sollte statt des Brautpaares auf Tassen und T-Shirts gedruckt werden (was vermutlich bald passiert).

Die New Yorker Internet-Plattform BuzzFeed hat die symbolische Kraft des mürrischen Mädchens erkannt und setzt sie in Fotomontagen vielfältig als stumme Kommentatorin ein. Paris Hilton blah-blah-blaht am Handy – Ohren zu. Edvard Munchs „Schrei“ gerät zu enervierend – Ohren zu. Da werden Vergleiche zu Grass’ Blechtrommler Oskar gezogen und der Einsatz von Grace als Gefällt-mir-nicht-Button bei Facebook erwogen. Als Putte in Raffaels „Sixtinischer Madonna“ wurden ihr die Worte „don’t care“ („kümmert mich nicht“) in den Mund gelegt.

Das Anti-Spaß-Modell Grace, es könnte Schule machen. Familie, Nachbarschaft, Kollegium, ach, das ganze Leben ist mal wieder zu laut? Na dann – Sie wissen schon.