Takeshi Kitano hat mit „Outrage“ wenig Chancen auf die Goldenen Palme, Kollege Alejandro González Iñárritu mit „Biutiful“ dafür umso mehr.

Cannes. Beide wählen simple Geschichten, um von komplexen Existenzen und Strukturen zu erzählen. Beide siedeln ihre Geschichten im kriminellen Milieu an – und doch könnten ihre Filme nicht unterschiedlicher sein.

Der Mexikaner Alejandro González Iñárritu und der Japaner Takeshi Kitano stellten beim Festival in Cannes ihre Wettbewerbsfilme vor. Während Kitanos „Outrage“ in extrem brutalen Szenen vom organisierten Verbrechen erzählt, geht es in dem tieftraurigen Film „Biutiful“ von Iñárritu um einen Kleinkriminellen mit Herz, der kurz vor seinem Tod versucht, sein Leben noch einigermaßen zu regeln.

Ein Gangster malträtiert einen anderen mit einem Zahnarztbohrer, ein Koch bekommt Essstäbchen ins Ohr gebohrt, bis das Blut spritzt und immer wieder schneiden sich Clan-Mitglieder ein Stück des kleinen Fingers ab – mal mit einem Teppichcutter, mal mit einem Küchenmesser. Kitano lässt keine Foltermethode aus. Er nutze die Gewalt, damit der Zuschauer den Schmerz spüre, sagte der 63 Jahre alte Filmemacher in Cannes. Mit Erfolg – viele Szenen sind kaum zu ertragen, und doch lösten sie bei einer Vorpremiere mit ihren angedeuteten Slapstick-Qualitäten bei manchen durchaus Gelächter aus.

Er habe sich erst die verschiedenen Folterarten und Mordvarianten ausgedacht und danach die Geschichte darum gestrickt, erklärte der 63-Jährige, der in Deutschland unter anderem für die TV-Spielshow „Takeshi's Castle“ bekannt ist. Das merkt man den Film an, denn die Story ist extrem schwach, zu keinem Zeitpunkt spannend, und im Grunde reiht sich in dem sogenannten Yakuza-Film, der japanischen Version des Mafia-Films, nur eine Gewaltszene an die nächste. Dabei ist Kitano durchaus für verschiedene Genres bekannt. So gewann er etwa 1997 mit dem melancholischen Drama „Hana-Bi“ den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig. In Cannes werden ihm wenig Chancen auf die Goldene Palme eingeräumt.

Ganz anders bei „Biutiful“, einem bewegenden Drama über Liebe, Schuld und Vatersein mit einem großartigen und bereits mit zahlreichen Preisen überhäuften Javier Bardem („No Country for Old Men“) in der Hauptrolle. Es sei sein versöhnlichster, hoffnungsvollster Film, sagte Iñárritu, der 2006 für „Babel“ mit dem Preis für die beste Regie in Cannes ausgezeichnet worden war. Er habe versucht, eine einfache, sehr lineare Geschichte zu erzählen, um sehr komplizierte Existenzen zu erklären.

In „Biutiful“ geht es um den Kleinkriminellen Uxbal (Bardem), der mit seinen beiden Kindern in einem Vorort Barcelonas lebt, in nächster Nachbarschaft zu illegalen Einwanderern aus den verschiedensten Ländern. Denen versucht er zu helfen, auch wenn er selbst Profit daraus schlägt. Sein Leben ist gescheitert, und dann erfährt er auch noch, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Uxbal wolle nicht die letzte Luft zum Atmen verlieren, die für ihn die Liebe ist, erklärte Iñárritu.

Dabei lässt der Regisseur seinem Hauptdarsteller viel Raum, und den füllt der 41-jährige Bardem so eindringlich aus, dass die Geschichte dem Zuschauer extrem nah kommt, ihn geradezu beängstigt. Auch in „Biutiful“ spürt der Zuschauer den Schmerz des Protagonisten - allerdings auf eine bewegende, subtile und melancholische Art.