Die Pop-Künstlerin Lady Gaga zeigte bei ihrem nicht gerade gelungenen Tourneeauftakt zwar ein Spektakel, überzeugte aber nicht.
Hamburg. Um 21.24 Uhr war erst mal Schluss. Lady Gaga hatte gerade "Vanity" gesungen und war für einen Kostümwechsel von der Bühne gestakst, ihre Gitarristen malträtierten noch ihre Instrumente, ohne dass man einen Ton hören konnte und verbeugten sich artig für ihre ungewollte Luftgitarreneinlage. Nur ein dünner Keyboardsound waberte noch durch die O2 World. Ein technischer Fehler hatte die Tonanlage ausgeschaltet, Lady Gagas "Monster Ball"-Show war implodiert. 25 Minuten dauerte es, bis die Techniker den Fehler gefunden hatten und das Konzert fortgesetzt werden konnte.
Es war nicht das einzige Missgeschick des Abends. Als Stefani Germanotta für einen weiteren Kostümwechsel auf halsbrecherischen High Heels nach hinten stöckelte, riss es ihr den linken Fuß weg und sie landete auf dem Allerwertesten. Schnell rappelte sie sich wieder hoch, verschwand in der Unterbühne, um sich, auf einem Flügel rekelnd, wieder ins Geschehen hieven zu lassen. "The show must go on!", auch wenn der verlängerte Rücken wehtut.
Ihre CD-Verkäufe, die Klickzahlen ihrer Videos und die mediale Aufmerksamkeit haben die Sängerin in nur zwei Jahren in den Rang eines Superstars katapultiert. Mit ihrer "Monster Ball"-Tour versucht sie gerade den Beweis anzutreten, dass sie mit anderen Pop-Größen mithalten kann. Ihre Bühne jedenfalls ist durchaus beachtlich. Mehr als zwei Millionen Euro soll die Konstruktion mit all den Hebebühnen und Showtreppen verschlungen haben. Gewohnt spektakulär waren auch Gagas Kostüme, das schönste ein weißes Prunkkleid mit einem an Aztekenkönige erinnernden Kopfschmuck und großen durchsichtigen Flügeln, das lustigste eine Fransenkreation, die sich in den 60er-Jahren in deutschen Wohnzimmern gut als Lampenschirm gemacht hätte.
Gaga und ihr kreatives Team, das "Haus of Gaga", wollten eine Show gestalten, durch die sich das Monster-Thema wie ein roter Faden zieht. Bedrohlicher Höhepunkt von Gagas dunkler Welt ist ein Plastikmonster mit erleuchtetem Rachen, das aber wohl nicht mal Zuschauern des Kinderkanals Angst gemacht hätte. Der zweistündige Abend ist lediglich eine Aneinanderreihung von Revuenummern. Mindestens dreimal hat man das Gefühl, jetzt ist die Show vorbei, doch immer folgt noch ein weiterer Song. Weder Dramaturgie noch Timing stimmen, weil wegen der vielen Umbauten dauernd Pausen entstehen.
Lady Gagas Problem ist, dass sie medialen Overkill braucht, um im Gespräch zu bleiben. Ihre musikalischen Qualitäten reichen bei Weitem nicht an die von Madonna heran, deren Karriere ebenfalls auf Grenzüberschreitungen und optischen Reizen beruht. Aber Madonna hat die besseren Songs und kann auch besser tanzen als Gaga. Rihanna und Beyoncé können besser singen, Pink kann besser turnen und hat in dieser weiblichen Pop-Liga die bisher beste Show abgeliefert. Lady Gaga hat sich mit ihrem "Monster Ball"-Konzept übernommen. Und sie steckt in einem Teufelskreis. Etwas weniger geht bei ihr nicht. In diesem Streben nach dem Mehr wird sie ihr eigenes Opfer.