Berlin. 1984 nahm das Popduo Wham! seinen größten Hit auf. Er ging in die Geschichte ein als der, der am längsten zur Nummer Eins brauchte.

Dem Song kann man nicht entkommen. Zu Weihnachten erklingt er wieder allüberall, im Radio, in Shopping Malls, auf Weihnachtsmärkten. Sofort wurmt sich der Song ins Ohr. Und geht auch nicht mehr raus. Und jeder kann mitsingen: „Last Christmas I gave you my heart…” Der Hit des Popduos Wham! ist einer der beliebtesten Weihnachtssongs überhaupt. Viel geliebt, aber auch gehasst. Und jetzt feiert er, den einen zur Freude, den anderen zum Verdruss, Jubiläum: Er wird 40 Jahre alt.

George Michael wollte unbedingt einen Weihnachtshit landen

Das Wintermärchen beginnt im Sommer 1984. George Michael und Andrew Ridgeley, Freunde seit Schulzeiten und seit drei Jahren das Popduo Wham!, sitzen im Wohnzimmer von Michaels Eltern und schauen Fußball in der Glotze. Da hat George Michael eine Eingebung, springt auf, rennt hoch in sein altes Kinderzimmer, singt da lauthals rum und kommt nach einer Stunde freudestrahlend zurück; „Ich habe es geschafft. Wir haben einen Weihnachtshit!“ Der Song „Last Christmas“ ist geboren.

Monate später reisen die beiden 21-Jährigen mit ihren Freunden in die Schweizer Alpen. Um Weihnachten zu feiern. Nicht im Dezember. Sondern schon im November. Für das gleichnamige Musikvideoclip. Jeder kennt auch das: Freunde, die sich in verschneiten Bergen treffen, die sich mit Schneeballschlachten, Baumschmücken und Weihnachtessen vergnügen. Zwischen all der Fröhlichkeit aber auch Herzschmerz: weil der von George Michael gespielte Mann jener brünetten Frau nachtrauert, die vor einem Jahr sein Herz gebrochen hat. Und die jetzt die Freundin von Andrew Ridgeley ist.

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Konkurrenz gibt es damals zwischen den beiden Wham!-Partnern wirklich. Aber es steht keine Frau zwischen ihnen. Sondern unterschiedlicher Ehrgeiz. Ridgeley fühlt sich ganz wohl als Teenie-Idol. Michael will mehr, will anspruchsvollen Pop. Vor allem aber will er sich nicht mehr verstellen. Er ist schwul. Und hat „Last Christmas“ eigentlich für einen Mann geschrieben. Aber auf dem Höhepunkt der Aids-Krise rät Andrew ihm dringend ab, sich zu outen. Was zu einer Entfremdung führt.

Alle Jahre wieder ertönt der Song so sicher wie die Weihnachtsglocken.

In dem Dokumentarfilm „Wham!“, den Netflix 2023 startet, ist davon keine Rede. Da werden nur harmlose Anekdoten ausgetauscht. Tatsächlich aber haben sich die beiden einstigen Freunde schon in den „Last Christmas“-Tagen nicht mehr viel zu sagen. In dem Hotel in Gstaad, in dem das Duo für die Dreharbeiten unterkommt, müssen ihre Zimmer so weit wie möglich auseinander liegen. Und Ridgeley muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Denn in dem Video ist er ein Statist wie die anderen Kumpel. „Last Christmas“ ist eine reine George-Michael-Nummer.

Doch auch dessen Traum erfüllt sich nicht. Nach den Dreharbeiten findet Michael eine Einladung von dem Pop-Kollegen Bob Geldof von den Boomtown Rats. Der sammelt Spenden gegen die Hungerkatastrophe in Äthiopien und schart dafür eine bis dahin nie gekannte Riege von Popstars um sich, mit denen er „Do They Know It’s Christmas?“ singt. Auch George Michael beteiligt sich an dem Benefizprojekt, ahnt aber, was dann auch eintrifft: Der Song von Band Aid übertrumpft den seinen.

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Wham Great Britain / Colour 35mm Transparency
George Michael (l.) und Andrew Ridgeley in den 80er-Jahren als Popduo Wham! © picture alliance/United Archives | 91050/United_Archives/TopFoto

Zwei Weihnachten später gibt es Wham! schon nicht mehr. Die einstigen Freunde geben am 28. Juni 1986 ihr Abschiedskonzert. George Michael verfolgt fortan eine Solokarriere, was Andrew Ridgeley nicht gelingt. Der lebt bis heute von den Wham!-Tantiemen. Und sicher nicht schlecht. Auch „Last Christmas“ spielt seither Hunderte von Millionen Pfund ein. Daran verdient Ridgeley aber keinen Penny. Denn sein einstiger Busenfreund hat den ja ganz allein komponiert.

Ein Crowdfunding, um den Hit für immer zu beerdigen

Und alle Jahre wieder ertönt der Song so sicher wie die Weihnachtsglocken. Was auch zu Gegenreaktionen führt. 20 Weihnachten nach dem Song etwa erfinden vier Dänen ein Spiel, in dem es nur darum geht, wie man eine Weihnachtszeit lang „Last Christmas“ entkommen kann. Der wenig schmeichelhafte Name des Spiels: „Whamaggedon“. 38 Weihnachten nach dem Song startet eine Schwedin gar Crowdfunding, um die Rechte an dem Hit aufzukaufen – und zu begraben, damit er nie wieder zu hören ist.

Es kommen tatsächlich ein paar zehntausend Euro zusammen. Was aber immerhin belegt, dass es mehrere Wham!- und „Last Christmas“-Hasser gibt. Es ist aber viel zu wenig für einen Millionensong. Und der absurde Plan lässt auch die Praxis von Copyrights völlig außer Acht. Mit einem Aufkauf könnte man vielleicht ein Lied stoppen. Aber nachdem es einmal veröffentlicht ist, hat jeder das Recht, es zu singen. Und es gibt längst zahllose Coverversionen des Songs, von Matthias Reim bis Ariana Grande, von Helene Fischer bis Taylor Swift.

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Tributes to George Michael on the Anniversary of his death
Erschütterte Fans stellen an Weihnachten 2016 Geschenke am Haus des gestorbenen Sängers ab. © picture alliance / Photoshot | picture alliance

32 Weihnachten nach dem Song stirb George Michael, völlig überraschend, mit nur 53 Jahren. Ausgerechnet an Weihnachten, am 25. Dezember 2016. Was die Fans weltweit bestürzt. Dem Song aber neuen, zusätzlichen Auftrieb gibt. Und ihn nun um eine tragische Note bereichert. Weil der Trennungsschmerz nun nicht mehr der brünetten Frau aus dem Video gilt, sondern dem Sänger selbst. Jedes Weihnachten gedenken die Fans nun auch seinem Todestag.

Auch künftig wird „Last Christmas“ zu den Weihnachtsritualen gehören

Und 39 Weihnachten nach dem Song erfüllt sich endlich der Traum von George Michael: „Last Christmas“ steht in den britischen Single-Charts erstmals ganz vorn. In Deutschland stand er schon zwei Weihnachten vorher auf Platz Eins. Der Musiker freilich erlebt diesen Triumph nicht mehr. Und „Last Christmas“ geht ein in die Annalen als der Song, der am längsten braucht, um zur Nummer Eins zu werden.

Und den einen zum Leid, den anderen zur Freud wird „Last Christmas“ auch künftig zu den Weihnachtsritualen gehören. Und es geht einem damit wie mit Muttis süßen Plätzchen: Man kann nicht zu viel davon kriegen. Bis einem schlecht davon wird.