Hamburg. In dem eng bestuhlten Bistro in der Fettstraße werden köstliche Speisen zu fairen Preisen aufgetischt. Und das schon seit 1978.

Drei einschneidende Ereignisse prägten – aus meiner nicht ganz objektiven Sicht – das Jahr 1978 in Hamburg:

1. Der junge Gerd Rindchen übersiedelt aus Bremerhaven in die Hansestadt.

2. Die letzte Straßenbahn der Linie 2 absolviert ihre Abschiedsfahrt zwischen Schnelsen und Rathausmarkt.

3. Das Bistrot Vienna in der Fettstraße im Schanzenviertel öffnet seine Pforten.

Letzteres zumindest hat sich für Hamburg als durchgängig überaus erfreulich erwiesen. Denn in dem schlicht und klassisch eingerichteten, eng bestuhlten Bis­tro mit 30 Sitzplätzen (plus Garten, wenn es nicht gerade Hunde und Katzen regnet) wird seit jeher eine kompromisslos gute, aufwendige Frischeküche auf Basis erstklassiger, teils ungewöhnlicher Produkte zelebriert. Und das zu Kursen, die für das Gebotene zumindest angemessen sind. Ein Teil der Gerichte auf der handgeschriebenen Karte wechselt saisonal, einiges gibt es immer.

Restaurant Hamburg: Schnell ist ein Menüs gezaubert

Im Guide Michelin findet sich eine interessante, knapp unter der klassischen Sternebewertung angesiedelte Rubrik namens „BiB Gourmand“, wo – in Hamburg derzeit acht – Restaurants mit außergewöhnlich gutem Preis-Genuss-Verhältnis ausgezeichnet werden. Da zumindest würde das Vienna locker reingehören. Bei unserem letzten Besuch haben wir uns aus einer Vorspeise und zwei Hauptgerichten ein großartiges kleines Dreigangmenü zurechtgezaubert, das uns vom ausnehmend freundlichen Service auch anstandslos mit je zwei Tellern zum Teilen serviert wurde.

Nach Baguette und Salzbutter (hier kostenlos) nahte ein köstlicher, perfekt angemachter Ochsenmaulsalat (13,50 Euro). Danach folgte ein sternewürdiges, á point saftig gegartes Rotbarschfilet, das in einem brillanten, ungemein aromensatten Muschelsud daherkam und von zarten gebratenen Calamari und einem subtil abgestimmten Zitronen-Zwiebelconfit flankiert wurde (26,50 Euro). Beim Fleisch hatten wir uns für den „Obelix-Gedächtnisgang“ entschieden und wurden mit einer großartigen Wildschweinkomposition belohnt (28,50 Euro).

Das Wiener Schnitzel im Vienna ist ein beliebter Klassiker

Am liebsten hätten wir unseren fünf Nachbartischen, an denen „wie immer“ das berühmte Wiener Schnitzel (auch sehr gut, 25 Euro) verzehrt wurde, zugerufen: „Ey Leute, seht ihr denn gar nicht, was ihr hier alles verpasst?“ Aber so was macht man in Norddeutschland ja nicht. Andere Klassiker wie die Provencalische Fischsuppe mit Sauce Rouille (9,50 Euro) oder die gebackenen Kalbskutteln mit Sauce Remoulade (13,50 Euro) müssen wir uns fürs nächste Mal aufheben.

Die ordentliche kleine Weinkarte, früher auch extrem günstig, hat sich preislich ein wenig der gentrifizierten Umgebung angepasst und bietet ordentliche Pullen, aber keine direkten Schnäppchen mehr. So zahlten wir für einen anständigen Grünen Veltliner „Obere Steigen“ 45 Euro. Das passiert mir hier aber nicht noch mal, denn anschließend entsann ich mich, dass das Vienna immer schon für sehr guten und preisgünstig offen ausgeschenkten Wein stand.

Tipp für Weintrinker: der Veltliner aus der Literflasche

Und daran hat sich nichts geändert: Der sehr gute, ehrliche 0,2 l- Schoppen Veltliner aus der Literflasche – der mir genauso gut schmeckte wie unser Luxusfläschchen vorab – kostet hier nach wie vor geradezu nostalgische 6,50 Euro. Das muss man in Hamburg lange suchen.

Fettstraße 7, Tel. 4399182, Di–So 17.30–1 Uhr, Küche 18–22 Uhr, vienna-hamburg.de