Das Gymnasium ist beliebt, aber zu viele Schüler scheitern dort.

Die Klage häufig eher konservativer Bildungspolitiker und Schulpraktiker ist schon etwas älter, aber sie hat an Aktualität keinesfalls eingebüßt. „Die Gymnasien siegen sich zu Tode“, heißt es regelmäßig sorgenvoll, wenn die Zahlen der Anmelderunde für die weiterführenden Schulen veröffentlicht werden. In Hamburg werden 54 Prozent der Viertklässler im August auf ein Gymnasium gehen – ein Rekord.

Es stimmt: Aus Sicht der Eltern ist das Gymnasium seit Jahren die mit Abstand beliebteste Schulform. Der enorme Zulauf hat zum Ausbau der Schulen und zu Neugründungen geführt. Das ist erfreulich. Aber das Wachstum schafft eben auch Probleme: Die Schülerschaft der Gymnasien ist zunehmend heterogener. Es kommt nicht mehr nur die Leistungsspitze eines Jahrgangs. Die Verfechter des Gymnasiums als einer Eliteschule, deren akzeptierte Prinzipien ein umfassender Bildungsanspruch und Leistungsdruck sind, sehen in dieser Tendenz nur eine Absenkung des Lernniveaus und der Standards.

Bei dieser Betrachtungsweise geraten die Schüler leicht aus dem Blick. Wenn nun, wie jetzt bekannt geworden, rund jeder fünfte Gymnasiast in Hamburg im Laufe der Klassen fünf bis zehn die Schule verlassen muss, weil er dem Lerntempo nicht gewachsen ist, bedeutet das in den meisten Fällen vor allem eines: die Erfahrung eigenen Versagens beim Schüler und nicht zuletzt für die Familien eine große Herausforderung.

Was tun? Niemand wird am Elternwahlrecht rütteln wollen, jeder Versuch ist politisch bestraft worden. Aber darum geht es: Zu viele bildungsorientierte Eltern trauen den Stadtteilschulen immer noch nicht zu, ihr Kind optimal zu fördern – gerade auch bis zum ersehnten Abitur. Es gibt große, funktionierende Stadtteilschulen, die keine Akzeptanzprobleme haben. Aber es gibt zu viele häufig kleinere Standorte, gerade in sozial schwierigen Gebieten, die gegenüber erreichbaren Gymnasien das Nachsehen haben. Kluge Bildungspolitik stärkt die Stadtteilschulen, indem sie sie bei Inklusion oder Flüchtlingsbeschulung entlastet. Nur das kann die Akzeptanz der Schulform bei Eltern mittelfristig erhöhen und für eine Trendwende sorgen.