Hamburg. Viele kommen mit dem Leistungsdruck nicht zurecht. In sozial belasteten Stadtteilen ist die Abschul-Quote besonders hoch.

Es ist die bittere Kehrseite des Gymnasial-Booms: Rund jeder fünfte Schüler, der in Hamburg nach der Grundschule auf ein Gymnasium wechselt, muss diese Schulform später wieder verlassen und eine Stadtteilschule besuchen. Das ist das Ergebnis einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der fraktionslosen Bürgerschaftsabgeordneten Dora Heyenn.

Vor wenigen Wochen erst verkündete Schulsenator Ties Rabe (SPD) einen neuen Rekord: 54 Prozent der künftigen Fünftklässler wurden für eines der 61 Gymnasien angemeldet. Dagegen sank die Quote für die 57 Stadtteilschulen auf 42,3 Prozent – nie war der Abstand größer.

Doch bei Weitem nicht alle Schüler durchlaufen das Gymnasium erfolgreich. Am Ende des Schuljahres 2014/15 mussten insgesamt 1277 Schüler diese Schulform laut Senatsantwort verlassen – verteilt auf die Klassen fünf bis zehn. Nimmt man den Mittelwert aus der Gesamtschülerzahl jeder Jahrgangsstufe, dann ergibt sich eine Abschulquote von 19,5 Prozent.

Kommentar: Stärkt die Stadtteilschulen!

Dieser Wert ist allerdings je nach der sozialen Lage des Einzugsgebiets der Schulen sehr unterschiedlich. Nur drei der 61 staatlichen Gymnasien liegen in einem sozial stark belasteten Einzugsgebiet. An diesen drei Standorten beträgt die Abschulquote sogar 52,8 Prozent. Das heißt: Mehr als die Hälfte der Schüler muss diese Schulen wieder verlassen.

Die wenigsten Schüler müssen die Schulform an einem der zahlreichen Standorte verlassen, die in sozial stabilen oder sehr stabilen Gebieten liegen. Hier liegt die Abschulquote bei 19,7 bzw. nur bei 10,2 Prozent. „Es zeigt sich, dass das Hamburger Schulwesen sozial tief gespalten ist und diese Spaltung durch die hohe Abschulquote noch verstärkt wird“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete Heyenn. Während nur rund fünf Prozent der Gymnasien in sozial belasteten Stadtteilen liegen, sind es 40 Prozent der Stadtteilschulen.

In Hamburg können Eltern die weiterführende Schule frei wählen – unabhängig davon, ob das Kind eine Empfehlung für das Gymnasium hat oder nicht. „Hamburgs Grundschulen sprechen immer mehr Gymnasialempfehlungen aus, auch weil Eltern dies erwarten oder gar fordern“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Mehr Empfehlungen führten zu mehr Anmeldungen, obwohl dies „oft nicht der für jeden Schüler sinnvollste Weg“ sei. „Gymnasien sind nur für diejenigen Schüler die beste Wahl, die bereits in Klasse vier schnell konzentrierte Lerner sind und sich dem hohen Leistungsdruck des Gymnasiums stellen wollen“, so Albrecht. „Der Schulformwechsel ist für die Kinder und Jugendlichen zumeist mit traumatischen und demütigenden Erlebnissen verbunden. Das Abschulen wird daher auch als Abstieg verstanden“, kritisiert Dora Heyenn, die die Schule für alle befürwortet.

Lesen Sie auch