Barsbüttel. Britta Bittner macht pro Tag bis zu 70 Abstriche bei Lehrern und Erziehern in Stormarner Gemeinden. Worauf sie besonders achten muss.
Britta Bittner klappt den Kofferraum ihres Autos auf, holt einen blauen Koffer und eine Tragetasche hervor. Ist da jemand in Urlaubsstimmung und will eine kleine Auszeit nehmen? Der Eindruck täuscht. Die 52-Jährige hat im Gepäck Utensilien für ihre Arbeit verstaut, zum Beispiel Desinfektionsspray und Taschentücher.
Sie ist pharmazeutisch-technische Assistentin und seit dem 22. Februar als Corona-Testerin unterwegs, kontrolliert Personal von Grundschulen, Kindertagesstätten und Hort in Barsbüttel, Hoisdorf und Braak. Nun ist auch noch Glinde hinzugekommen. Bis zu 70-mal pro Tag schiebt sie vorsichtig Stäbchen in die Nase anderer Menschen. „Bislang hatte ich noch keinen positiven Fall“, sagt Bittner.
Die Corona-Testerin arbeitet normalerweise in der Apotheke
Die Barsbüttelerin arbeitet in ihrem Heimatort in einer Apotheke und hat eine vertraglich geregelte 30-Stunden-Woche. Seit sie auch außerhalb des Geschäfts aktiv ist, füllt sich das Zeitkonto, zu viel ist zu tun. An diesem Tag ist Bittner bereits um 7.30 Uhr in der ersten Kita in Barsbüttel gewesen und hat zehn Schnelltests gemacht, danach Termine für die kommende Woche abgesprochen. Jetzt ist es 9 Uhr, der zweite Stopp in der 13.700 Einwohner zählenden Gemeinde, Kindergarten Falkennest: In der Einrichtung werden zehn Jungen und Mädchen in der Krippe sowie 60 im Elementarbereich betreut. 13 Mitarbeiter werden heute in der kleinen Teeküche getestet. Das Fenster steht auf kipp.
Bevor es losgeht, desinfiziert Bittner den Tisch. Sie trägt blaue Schuhüberzieher aus Kunststoff, einen weißen Schutzmantel, eine FFP-3-Maske plus Visier, wechselt die Handschuhe nach jeder Untersuchung. Auch einen Mülleimer hat sie mitgebracht. Im Koffer sind Packungen mit Schnelltests unterschiedlicher Hersteller. Den die Stormarnerin in diesem Moment nimmt, hat eine Sensitivität von 98 Prozent. Soll heißen: Von 100 Ergebnissen könnten zwei falsch sein. Alle Mitarbeiter der Kita haben eine Datenschutzerklärung signiert für den Fall eines positiven Tests. Dann würde Bittner das Gesundheitsamt informieren. Die Kitaleitung macht das ohnehin.
Cola und O-Saft können das Ergebnis des Tests verfälschen
Claudia Estl ist als zweite Erzieherin an der Reihe. „Sind Sie gesund, haben keinen Husten?“, fragt Bittner. Menschen mit Symptomen untersucht sie nämlich nicht. Auch will die medizinische Fachkraft wissen, ob kurz vor dem Check Cola, Zitrone oder Orangensaft konsumiert wurde. „Das kann das Ergebnis wegen der Säure verfälschen“, erklärt die Barsbüttelerin. Estl verneint.
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Dann dreht Bittner den Stab langsam in ihre Nase bis in den Bereich zur Verbindung mit dem Rachen. Die Prozedur dauert wenige Sekunden. Anschließend wird der Tupfer in eine Lösung in einem Röhrchen getaucht. Nach kurzem Einwirken tröpfelt Bittner Flüssigkeit auf die Testkassette. Auf dieser stehen zwei Buchstaben: Bildet sich über dem C ein Strich, ist der Test negativ. Wird jedoch auch beim T eine rote Linie sichtbar, bedeutet das eine Infektion. Das Ergebnis steht nach 15 Minuten fest.
Online-Schulung zwei Tage vor Beginn der Aktion
„Der Test ist ein bisschen unangenehm, es kitzelt“, sagt Estl. Ihr Ergebnis: negativ. „Das gibt ein gutes Gefühl“, ergänzt die Erzieherin, denn sie habe ein autoimmunschwaches Kind. Die 41-Jährige wartet sehnsüchtig auf einen Impftermin. Eine Kollegin schnappt sich kurz vom Abstrich ein Taschentuch, knotet es zusammen. Das mache sie immer so, weil sie dabei weinen müsse. Die nächste Erzieherin duzt Bittner, sagt zu ihr: „Ich stehe immer voll unter Strom bei dieser Nasengeschichte.“
Auf dem Tisch liegen inzwischen neun Testkassetten. Darauf hat Bittner die Initialen der Untersuchten geschrieben und die Uhrzeit. Sie arbeitet seit einem Jahr in der Barsbütteler Apotheke, die am Nahversorgungszentrum an der Straße Am Akku beheimatet ist. Früher war sie im Unfallkrankenhaus Boberg tätig, hat dort zehn Jahre in der Diagnostik ihre Expertise eingebracht. Deshalb ist die Barsbüttelerin prädestiniert für diese Aufgabe. Über die Apothekenkammer Schleswig-Holstein hat sie zwei Tage vor Beginn der Aktion noch eine Online-Schulung gemacht. Vier weitere Kollegen aus dem Betrieb sind in das Projekt inzwischen eingebunden. Die Kosten für die Testungen des Kita- und Schulpersonals übernimmt das Land.
„Ich bin erstaunt, wie dankbar die Erzieher sind, habe mich sehr darüber gefreut“, sagt Bittner. Sie habe einfach Spaß an dieser Arbeit am Menschen. Und die dauert auch heute bis in den Nachmittag.
In Willinghusen unterstützt eine Kollegin bei der Arbeit
Es ist 10.45 Uhr, jetzt geht es im Ortsteil Willinghusen weiter. Schule, Kita und Hort stehen auf dem Programm, eine Kollegin aus der Apotheke ist hinzugekommen und unterstützt. Alles wird dokumentiert, entsprechende Zettel sind in einem Ordner geheftet. Allein hier sind 25 Tests angesetzt.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Auch diesmal rät Bittner nicht nur einmal nach dem Abstrich zur Flüssigkeitsaufnahme. „Manch einer hat hinterher Kopfschmerzen, die können durch Trinken minimiert werden“, erklärt sie und schmeißt die nächsten Schutzhandschuhe in den Mülleimer, der inzwischen bis an den Rand gefüllt ist. Bittner blickt auf den gelben Behälter, sagt über den Abfall bezogen auf das Thema Klimaschutz: „Ich habe da jeden Tag ein schlechtes Gewissen.“