Hamburg. Hamburgs Alt-Bürgermeister hat die SPD zu einer nicht mehr für möglich gehaltenen Größe geführt. Grüne vertun historische Chance.

Der große Gewinner der Bundestagswahl ist diesmal keine Partei, sondern eine Person: Olaf Scholz wurde noch im Juli ausgelacht, wenn er behauptete, der nächste Kanzler und Nachfolger von Angela Merkel werden zu können. Und dann das: Im Alleingang hat Hamburgs Alt-Bürgermeister die SPD zu einer nicht mehr für möglich gehaltenen Größe geführt.

Scholz hat, als einziger bei dieser Wahl, alles richtig gemacht, und er hat dabei viel mehr erreicht, als er sich vorgenommen hat. Wir erinnern uns: Ursprünglich war sein Plan und Ziel nur gewesen, vor den Grünen zu liegen, um dann mit denen und einer weiteren Partei eine Regierung bilden und anführen zu können. Auftrag weit, sehr weit übererfüllt.

Im Vergleich zu Olaf Scholz sind alle anderen Verlierer

Die beiden anderen Kanzlerkandidaten und ihre Parteien sind, im Vergleich mit Scholz, Verlierer, und haben, das ist das Verrückte an dieser Wahl, trotzdem noch Chancen, einer nächsten Regierung anzugehören. Doch ist es, um mit der wichtigsten Frage zu beginnen, wirklich vorstellbar, dass Armin Laschet mit Hilfe von FDP und Grünen Kanzler wird? Also der Mann, der die CDU/CSU zum mit Abstand schlechtesten Ergebnis in der Geschichte der Bundestagswahlen geführt hat?

Der an diesem Sonntag so viele Stimmanteile verloren hat, wie keine andere Partei? Dem die Deutschen offensichtlich nicht zutrauen, dieses Land zu führen? So wie Olaf Scholz die Wahl für die SPD gewonnen hat, hat sie Armin Laschet für die CDU/CSU verloren. Er wirkte, wie seine Partei insgesamt, von Beginn des Wahlkampfes planlos und fing sich ausgerechnet erst dann wieder, als er nicht über eigene Ziele (welche waren das eigentlich?) sprechen musste, sondern über die Gefahr eines drohenden Linksrutsches in Deutschland.

Eine Strategie für die wichtigste europäische Nation im Jahr 2021 ist das nicht - das haben die Wählerinnen und Wähler offensichtlich gemerkt, und mit Armin Laschet auch der Union in Scharen den Rücken gekehrt.

Armin Laschet trägt die Verantwortung für den Absturz der CDU

Für die Partei von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel war ein Ergebnis unterhalb von 30 Prozent bis zum heutigen Tage unvorstellbar. Mit dem Anspruch, die einzig verbliebene Volkspartei des Landes zu sein, haben die aktuellen Zahlen auf jeden Fall nichts zu tun, und dafür trägt, man muss es so sagen, Armin Laschet einen Großteil der Verantwortung. Unter normalen Umständen würde man in einer solchen Situation als CDU-Vorsitzender zurücktreten. Aber: was ist bei dieser Bundestagswahl schon normal?

Womit wir bei den Grünen sind, die sich de facto als Gewinner fühlen dürfen, weil sie ihr Ergebnis im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 deutlich verbessert haben – wobei sie damals allerdings die schwächste aller Parteien waren, die es ins Parlament schafften. Nach außen darf man sich also freuen, nach innen müssen und werden sich die Grünen aber fragen, was bei dieser Wahl eigentlich passiert ist.

Grüne haben eine historische Chance vertan

Wie kann es sein, dass eine Partei, deren Markenkern seit gut vier Jahrzehnten der Klima- und Umweltschutz ist, bei einer Wahl, in der es vor allem um dieses Thema geht, nur Dritte wird? Die Wahrheit lautet, und sie ist nicht nur für die grünen Wähler bitter: Man hat eine historische Chance vertan. Viel besser (beziehungsweise schlechter, wir reden schließlich über den Klimawandel) hätten die Ausgangsbedingungen für die erste grüne Kanzlerkandidatur nicht sein können. Es war noch nie so einfach, eine Bundestagswahl zu gewinnen, 25 Prozent plus X hätten gereicht. Das ist nichts, das sich die Grünen nicht zugetraut hätten, und trotzdem haben sie das Ziel so klar verpasst.

Wie bei der CDU/CSU wird man hier über die Rolle der Spitzenkandidatin reden müssen. Annalena Baerbock fand erst zu ihrer gewohnten Stärke zurück, als sie sich aus dem Rennen ums Kanzleramt verabschiedet hatte. Dass Robert Habeck mit seiner anderen Art, über Politik zu sprechen, größere Chancen in den Auseinandersetzungen mit Scholz und Laschet gehabt hätte, sagt sich hinterher leicht. Fakt ist: Die Grünen haben in ihrer gesamten Wahlkampagne enorme Fehler gemacht, der entscheidende war wahrscheinlich, dass man der Mehrheit der älteren Wählerinnen und Wähler nicht das richtige Angebot unterbreitet hat, weniger inhaltlich als personell.

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Und trotzdem werden die Grünen nun zusammen mit der FDP entscheiden, wer der nächste Kanzler wird. Dabei ist der Weg zur Union bei allem, was die Grünen über Laschet und Co. im Wahlkampf gesagt haben, eigentlich versperrt: Es wäre weder den Mitgliedern noch den Anhängern zu erklären, dass man mit ihren Stimmen nun doch dafür sorgt, dass die CDU/CSU für weitere vier Jahre an der Spitze der Regierung bleibt. Da wäre es für Christian Lindner im Vergleich leichter, einen Deal mit Olaf Scholz einzugehen, und die Regierung zu bilden, die nach allem, was man an Zahlen aktuell vorliegen hat, die am stärksten gewünschte in Deutschland ist: eine Ampel. Mit dem großen Sieger dieser Wahl als Bundeskanzler.