Lütjensee. Moorgebiet Kranika bei Lütjensee ist eine Modellregion. Schleswig-Holstein will Flächenanteil auf 32.000 Hektar verdoppeln.
Das Land Schleswig-Holstein möchte mehr ursprüngliche Naturlandschaften zulassen und damit das bundesweite Zwei-Prozent-Wildnis-Ziel erfüllen. „Ziel ist es, die Wildnisfläche auf mehr als 32.000 Hektar zu verdoppeln“, sagte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) bei der Präsentation der druckfrischen Broschüre „Mehr Wildnis wagen“ am Moorgebiet Kranika bei Lütjensee.
Noch ist die Natur nur auf etwa einem Prozent der Landesfläche sich selbst überlassen. Davon entfällt ein großer Teil mit fast 5300 Hektar auf den Nationalpark Wattenmeer. „Es gibt viele weitere Areale, auf denen wir die Nutzung und den Einfluss der Menschen zurückfahren können“, so Albrecht. Im Unterschied zu anderen Regionen in Deutschland – beispielsweise am ehemaligen Grenzstreifen – gebe es im Norden allerdings kaum zusammenhängende, sondern viele kleine Wildnis-Landschaften. Das zeigt auch eine aktuelle Karte mit genau 214 geeigneten Gebieten.
97 Hektar großes Gebiet steht seit 1993 unter Naturschutz
Das 97 Hektar große Kranikagebiet, das seit 1993 unter Naturschutz steht, ist eine von neun Modellregionen im Land (siehe rechts). Etwa 58 Hektar gelten schon heute als Wildnis. „Moore sind ein zentraler Bestandteil für den Klimaschutz der Zukunft“, sagt Ute Ojowski, Vorstand der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Diese betreut den Mix aus Hoch- und Niedermoorbereichen, wilden Bruch- und Feuchtwäldern sowie Pfeifengraswiesen. Dort sind Knabenkräuter, Fieberklee, Blutweiderich und Kohldistel zu finden, aber auch Moorfrosch, Ringelnatter und Kreuzotter, Braunkehlchen, Bekassinen und Wachtelkönig.
Und natürlich Kraniche, die für den Namen verantwortlich sind. Dieser leitet sich vermutlich von der alten Hofstelle „Kranich-Kate“ ab. Seit einigen Jahren brütet wieder ein Kranichpaar im Bereich Grönwohlder Moor. Etliche andere Vögel machen auf der Durchreise Station, flogen auch am Minister vorbei.
Immer mehr Menschen entdecken Natur vor der Haustür
Dass immer mehr Menschen nicht erst seit der Corona-Pandemie die Natur vor der Haustür entdecken, wissen auch die Naturschützer. „Der Begriff Wildnis spricht die Bevölkerung natürlich an, deshalb wollen wir niemanden aussperren“, sagt Kornelius Kremkau, Abteilungsleiter im Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Eine große Rolle spiele die Jagd. „Wir drohen nicht mit der Ordnungsmacht, sondern beziehen Eigentümer und Nutzer ein.“
Für die Kranika sei das sehr unproblematisch, sodass sich für Erholungssuchende nichts ändert: Der innere Kern ist seit etwa 15 Jahren unberührt. Die Wanderwege führen am Rand entlang. „Dort wollen wir die teilweise noch bestimmenden Nadelbäume herausnehmen und Laubbäume pflanzen, um zurück zum Naturwald zu kommen“, sagt LLUR-Dezernatsleiter Jürgen Gemperlein. Zudem soll ein hydrologisches Gutachten zeigen, wie das Teilgebiet Grönwohlder Moor vor einem kompletten Pflegerückzug verbessert werden kann.
Am Nordstrand vom Großensee gibt es Probleme
Lütjensees Bürgermeisterin Ulrike Stentzler (CDU) wies auf den Zwiespalt hin, dass zu viele Besucher zu Konflikten führen können. „Am Nordstrand vom Großensee müssen wir regelmäßig hilflos zusehen, wie die Pflanzen in Uferbereichen zertrampelt und Äste in Lagerfeuern verbrannt werden“, sagt sie. Die von Umweltminister Albrecht vorgeschlagene Besucherlenkung und Aufklärung habe dort nur wenig verbessert. Gesperrte Parkplätze und Anliegerstraßen hätten den Andrang nicht gebremst, Schilder zum umweltgerechten Verhalten wurden sofort beschmiert oder gestohlen.
„Im Wattenmeer haben wir sehr gute Erfahrungen mit Rangern gemacht, das wäre auch in anderen Schutzgebieten denkbar“, meint Jan Philipp Albrecht. Wenn die Besucher mehr über die ökologischen Zusammenhänge wüssten, verhielten sie sich auch anders.
Das sind die anderen Wildniseignungsgebiete
Für Stormarn sind außer Kranika 13 weitere Wildniseignungsgebiete aufgelistet (nach Größe in Hektar): Nienwohlder Moor (324), Naturwald Hahnheide (246), Hansdorfer Brook mit Duvenstedter Brook (154), Wittmoor (82), Stellmoor-Ahrensburger Tunneltal (68), Naturwald Bestetal, Helldal und Rehbrook (58), Naturwald Steinkampholz (54), Naturwald Fohlenkoppel (47), Wälder an der Barnitz (38), Naturwald Hahnenkoppel (34), Grabauer See (32), Stenzer Teich (27), Naturwald Beimoor (7).
Die Broschüre „Mehr Wildnis wagen“ kann kostenlos beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) per E-Mail an broschueren@llur.landsh.de bestellt werden. Die Behörde ist dem Umweltministerium angegliedert.
Im Internet gibt es detaillierte Infos zum Projekt auf der Seite www.schleswig- holstein.de/DE/Fachinhalte/N/naturschutz/wildnis.html. Dort kann die Broschüre auch heruntergeladen werden.
Die neun Modellgebiete sind: Kranika (Stormarn), Barkauer See (Ostholstein), Unterelbe (Pinneberg), Moore bei Dellstedt (Dithmarschen), ehemalige Baggergrube Basedow (Herzogtum Lauenburg), Lütjensee/Hochfelder See sowie Zentralbereich der Pohnsdorfer Stauung (beide Plön), Wälder und Moore der Fröruper Berge (Schleswig-Flensburg), Beltringharder Koog (Nordfriesland).