Unsere Schule soll abgerissen werden, doch das regelmäßige Wiedersehen der alten Clique hält die lustigsten Erinnerungen wach.
Am Wochenende haben meine besten Freunde ihre Hochzeit gefeiert. Der Tag fühlte sich ein bisschen wie ein großes Klassentreffen an. Schon zu Schulzeiten sind die beiden ein Paar geworden. Bei ihrer freien Trauung saß fast die Hälfte unserer Abiklasse im Publikum. Ich durfte die Traurede für sie halten. Mein bester Kumpel, mit dem ich schon befreundet bin, seitdem wir drei Jahre alt sind, hat versucht, mir meine Aufregung zu nehmen.
Er meinte, ich solle mir einfach vorstellen, wir würden da vorne vor dem Traubogen zu dritt ein Referat halten – so wie früher. Es war ein unfassbar schöner Moment, den ich niemals im Leben vergessen werde – der aber relativ wenig mit unserem letzten Vortrag im Politikunterricht gemein hatte. Ich finde, es ist etwas ganz Besonderes, dass sich so viele Schulfreunde nach all den Jahren nie aus den Augen verloren haben.
Schulzeiten: Freunde über das Abitur hinaus
Ziemlich genau zehn Jahre liegt unser Abitur zurück. In der Regel verlaufen sich die meisten Freundschaften unmittelbar nach dem letzten Klingeln der Schulglocke. Viele halten – wenn überhaupt – nur zu ein bis zwei engen Freunden Kontakt, mit denen sie jedes Referat zusammen gehalten und die sie als Erstes in ihr Sportteam gewählt haben. Ansonsten lernen sie während des Studiums oder der Ausbildung neue Leute kennen – und lassen die alten Freunde zurück. In ihrem vorigen Leben.
Bei uns war das anders. Wir haben alle ganz unterschiedliche Wege nach der Schule eingeschlagen. Der eine bereist als Architekt die Welt, der andere ist ins Familienunternehmen eingestiegen. Wieder eine andere arbeitet als Psychologin in der Psychiatrie, eine schreibt gerade ihre Masterarbeit in Energie- und Umwelttechnik.
Nicht jeder erinnert sich gern an die Schule
Wir machen inzwischen Dinge, die halt zum Erwachsenenleben dazugehören: arbeiten, heiraten, Reihenhäuser kaufen, Kinder bekommen. Doch an einem Abend wie diesem merkt man, dass wir im Herzen immer noch die gleichen Chaoten wie damals sind. Wir haben uns zwar alle verändert – irgendwie aber auch nicht. Wir tanzen immer noch zu „Danza Kuduro“, schlingen dabei die Arme umeinander und feiern das Leben. Diese Menschen fühlen sich so vertraut an, selbst wenn man sie zum Teil monatelang nicht gesehen hat. Sie werden für mich nie Fremde sein. Das Urvertrauen bleibt.
Aber nicht jeder erinnert sich gerne an seine Schulzeit zurück. Viele verbinden sie mit schmerzhaften Erfahrungen – mit Mobbing, Ausgrenzung, schlechten Noten. Für manche fühlt es sich wie ein Stehenbleiben an, an den Weihnachtstagen ins Dorf zurückzukehren und sich mit früheren Wegbegleitern zu treffen, mit denen man damals in der Raucherecke hinter der Aula stand oder auf dem Schulhof Fußball gespielt hat. Die Welten passen nicht mehr zusammen. Der Kontakt bricht ab – und darüber sind sie froh.
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Für mich fühlen sich viele Schulfreunde wie ein „Nachhausekommen“ an. Sie funktionieren wie ein Anker: Wenn ich mal auf offener See herumtreibe, zweifle und nicht mehr weiß, wo ich herkomme, halten sie mich fest. Sie erinnern mich an meine Wurzeln. Unsere Abschlussklasse war kein Sammelsurium aus kleinen Grüppchen – vielmehr waren wir eine große Clique. Zu den Partys wurde häufig die Klasse nahezu geschlossen eingeladen.
Unsere alte Schule soll bald abgerissen werden. Schon vor mehr als zehn Jahren hat es von der Decke getropft. Es wird höchste Zeit, dass der gelbe Klotz verschwindet – doch mit ihm werden auch jede Menge Erinnerungen weggerissen. Das Forum, in dem wir Mädels uns in der Pause immer an der Heizung getroffen haben. Die Musikräume, in denen wir die schrägsten Gesangseinlagen gehört haben und unsere Namen rhythmisch klatschen und singen mussten (mein Schultrauma).
Die Erinnerungen bleiben
Die Chemieräume, in denen jeder gehofft hat, bloß nicht an die Tafel geholt zu werden, weil wir alle keine Ahnung hatten. Der Computerraum, in dem plötzlich die Physik- Abiklausur ein paar Wochen zu früh auf dem Beamer aufploppte und im E-Mail-Postfach eines Mitschülers landete. Und nicht zuletzt die Klassenräume, in denen sich jemand aus Versehen in den Finger getackert hat und unzählige Insider-Gags entstanden sind, über die wir heute noch lachen.
Das Schulgebäude wird zwar abgerissen – aber Abende wie am Sonnabend halten die Erinnerungen für immer am Leben.