Bargteheide. Dave Groth thematisiert im Podcast „Funkstrecke“ Probleme der Branche. Für Neustart mit eigenen Produktionen sucht er Investoren.
Am späten Montagabend steht Dave Groth vor dem Bargteheider Rathaus. Der Veranstaltungstechniker hat es im Auftrag der Stadt anlässlich des Christopher Street Days in ein kunterbuntes Lichtkleid getaucht. Doch der schöne Anblick täuscht nicht darüber hinweg, dass dies eine der wenigen Arbeitsmöglichkeiten ist. Groth sagt: „Die Auftragsbücher sind seit Monaten nahezu leer.“ Auf die Frage, wann die Durststrecke begonnen hat, muss der Bargteheider nicht lange überlegen. Er sagt: „Das war am 16. März 2020.“
Branche ist kaum sichtbar und wirkt mehr hinter Kulissen
An diesem Tag vereinbarten Bundesregierung und Länderchefs zur Eindämmung der Corona-Pandemie weitere Beschränkungen sozialer Kontakte. Das war zugleich der Auftakt zu einer beispiellosen Austrocknung einer ganzen Branche. Die fast immer im Hintergrund tätig ist, ohne die aber die meisten Veranstaltungen wie Messen, Konzerte, große Sportereignisse, Firmenevents, Theatervorstellungen, Festivals und viele private Feiern nicht funktionieren würden.
Trotz langsamen Aufschwungs in Sachen Kultur: „Bei uns sieht es nicht rosig aus“, beschreibt Groth seine aktuelle Geschäftslage. „Wir haben jede Menge Kapazitäten frei.“ Dass die Branche wenig sichtbar ist, hat sich in der Krise als Problem erwiesen, denn bei der Konzeption der finanziellen Hilfen fielen viele der Beschäftigten durchs Raster.
Viele Beschäftigte wichen auf andere Arbeitsfelder aus
Groth: „Ein Großteil aller möglichen Hilfen war daran gekoppelt, dass man in der Künstlersozialkasse registriert ist.“ Doch als DJ und Veranstaltungstechniker komme er da nicht rein. „Viele Hilfen bekam man nur, wenn man sein Haupteinkommen aus der ursprünglichen Tätigkeit bezog“, sagt der Bargteheider. Ein Widerspruch, da diese auf Eis gelegt war und viele zur Sicherung ihres Unterhalts gezwungen waren, auf andere Arbeitsfelder auszuweichen. Aktuell warte er auf die Bewilligung der November- und Dezemberhilfe, so der Veranstalter. Wann er mit dem Bescheid rechnen könne, wisse er nicht. „Wir haben ja auch erst Juni“, sagt er mit ironischem Unterklang.
Hände in den Schoß legen und abwarten kommt für Groth jedoch nicht infrage. „Alle Energie, die man nicht ins Tagesgeschäft steckt, muss irgendwie raus“, erläutert er. Bei kreativen Projekten wie dem Podcast „Funkstrecke“, der beispielsweise auf Plattformen wie Spotify oder Apple Podcasts verfügbar ist. Bei „Funkstrecke“ dreht sich alles rund um Veranstaltungen, Veranstaltungstechnik und die ganze Branche. Als Gastgeber fungieren Groth und sein Geschäftspartner Fabian Palm, pro Folge kommen ein oder zwei Gäste dazu.
Wer übrig bleibt, erschließsich neue Felder und Märkte
In Folge 13 spricht das Duo aus Anlass der „Night of Light“ mit Borhen Azzouz. Bei der Aktion der Initiative Alarmstufe Rot am 22. Juni erstrahlten bundesweit Gebäude in Rot, um auf die Not der Veranstalter aufmerksam zu machen. Azzouz ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Eventverbandes, der die Interessen der Kultur- und Veranstaltungsindustrie vertritt, und außerdem aktiv bei Alarmstufe Rot und Geschäftsführer der Hamburger Firma SUB-events.
Als Betroffener und Aktivist kennt Azzouz die Nöte der Branche. Er sagt: „Betroffen sind alle, viele machen inzwischen andere Dinge, um zu überleben.“ Wer übrig geblieben sei, habe sich neue Felder und Märkte erschlossen, sich weniger live und mehr digital orientiert.
Veranstaltungstechnik aus Deutschland überall gefragt
„Es gibt kein Personal mehr“, beklagt Azzouz. „Wer inzwischen einen festen Job als Dachdecker oder Gerüstbauer hat, der ist weg.“ Ein Fiasko, denn wenn es wieder richtig losgehe, fehle das Personal. „Dann wird die Branche unter einem eklatanten Fachkräftemangel leiden, denn ein Teil der Beschäftigten ist abgewandert und zusätzlich ist durch den Wegfall von zwei Ausbildungsjahren kein Nachwuchs in Sicht.“
Bislang sei die deutsche Eventbranche einer der Weltmarktführer. Wo sie überall mitmischt, verdeutlicht Azzouz anhand einer Aufzählung: „Beim Eurovision Song Contest, Olympia, bei der Fußball-WM, selbst bei Beleuchtungsaktionen des höchsten Wolkenkratzers der Welt, des Burj Khalifa in Dubai, sind deutsche Firmen beteiligt, deutsche Messebauunternehmen haben weltweit Standorte.“ Es tue sich derzeit zwar ein bisschen was im Bereich Theater und Kultur, „aber das ist nicht wirtschaftlich“ und mache nur zwölf Prozent der Branche aus. Die Insolvenzwelle werde erst noch kommen, prophezeit der Unternehmer. Denn die Anzeigepflicht für betroffene Unternehmen sei bis vor zwei Monaten ausgesetzt worden, damit diese Hilfen beantragen könnten. Dann fügt er hinzu: „Wenn man uns sagt, es sei Licht am Ende des Tunnels, fragen wir uns, ob das der Zug ist, der auf uns zurollt.“ Seine Befürchtung: „Dass wir bald nicht mehr Weltspitze sind.“
Konzepte für Show, Musical und Dinner-Event erstellt
So weit will es Groth nicht kommen lassen. Schon vor Beginn der Pandemie war er mit seine Firmen Aulista und Das geit! breit aufgestellt, bediente als DJ, Moderator und technischer Dienstleister verschiedene Geschäftsfelder, unterstützte Kunden bei Planung und Abwicklung von Events. Von Firmenfeiern, Scheunenfeten über Hochzeiten bis zum runden Geburtstag war alles dabei.
Jetzt bringt Dave Groth den Businessplan auf den aktuellen Stand. Sobald möglich, will er mit eigenen Produktionen auf Tour gehen.
In den vergangenen Monaten hat er eine Travestie-Show, das Musical „Roter Schwan“ und ein Dinnerformat konzipiert, nebenbei angefangen, einen Roman zu schreiben. „Wir sind aktuell am Pitchen, um uns dann ganz groß aufzustellen“, sagt der Veranstalter. Wenn sein Plan aufgeht, wird er zusätzliches Personal brauchen. Doch das könnte bald sehr knapp werden.